Gut 13 Prozent aller Fahrerlaubnisinhaber in Deutschland haben Punkte im Zentralregister in Flensburg. Die Mehrzahl liegt im Bereich von einem bis drei Punkten, nur 0,8 Prozent sind im kritischen Bereich bei vier oder fünf. Ganze 0,03 Prozent geben ihren „Lappen“ ab, weil sie die magische Grenze von acht Punkten erreicht haben.
„Das heißt aber immer noch, dass eine Stadt in der Größe von Rosenheim die Fahrerlaubnis verliert“, relativiert Diplom-Psychologe Thomas Wicke vom TÜV SÜD, mit dem der TRUCKER über die Themen Punkteabbauseminar (s. Kasten) und Strategien, sich vor Punkten zu schützen, gesprochen hat. Wicke merkt außerdem an, dass aktuell mehr Fahrerlaubnisse entzogen werden als früher. „Grund ist unter anderem die Nutzung von Handys, für die es im Verhältnis jetzt mehr Punkte – einen von acht statt einen von 18 – gibt.“
Wicke weiß aus seiner Praxis aber auch, dass es seltener Berufskraftfahrer auf Nutzfahrzeugen sind, die den Führerschein abgeben. „Es sind eher die ‚Wichtigen‘, die meinen, über dem Gesetz zu stehen, mit technisch hochgerüsteten Fahrzeugen und für die alle anderen Fahrer Hindernisse darstellen ...“ Der Psychologe meint, dass die Qualität eines Kraftfahrers immer auch etwas mit der Regelbeachtung zu tun hat. Das Bewusstsein, nicht immer der Beste sein zu müssen, hilft dabei.
Höhere Strafen würden auch die Disziplin erhöhen
Wicke weiß aber auch, dass die Kontrolldichte abgenommen hat. „Wenn wir kontrollieren würden wie in der Schweiz, mit ähnlich hohen Strafen, hätten wir weniger Vergehen“, ist sich der Fachmann vom TÜV SÜD sicher. Grundsätzlich rät Wicke seinen Probanden, sich stets die Frage zu stellen, wo denn der Nutzen des Fehlverhaltens liegt. „Vielleicht gibt es ja gar keinen Nutzen“, meint der Psychologe. „Dann kann man sich dieses Verhalten sparen und muss sich nicht an irrationalen Glaubenssätzen wie ‚Wer bremst, verliert‘ orientieren.“
Wicke weiß aus seiner Erfahrung auch, dass es wenig Sinn hat, ein Punkteabbauseminar zu besuchen und dann so weiterzumachen wie bisher. „Eine Änderung ohne Veränderung des Verhaltens ist unmöglich“, meint der Psychologe. „Bei Berufskraftfahrern sind es meist Abstandsunterschreitungen oder die Nichtbeachtung von Überholverboten, mit denen sie sich Punkte einfangen. Manchmal auch Termindruck – wobei sich viele selbst unter Druck setzen, etwa durch Navi-Ankunftszeiten.“ Wicke appelliert an seine Klienten, sich stets die Frage zu stellen, wie sehr sie sich durch Übertretungen selbst gefährden.
Fehlverhalten, so der TÜV-SÜD-Fachmann, resultiere aber oft auch aus Oberlehrer-Verhalten. „Dabei beeindruckt es die anderen Verkehrsteilnehmer kaum, wenn man sich so verhält. Ändern kann man nur sich selbst – und das ist schwer genug“, merkt Wicke an.
Auch rät er Betroffenen, Aggressionen vor Fahrtantritt zu hinterfragen. „Das Hirn auszuschalten, passiert meist im Zustand höchster, meist negativer Emotion. Wenn ich aber einen Streit vor der Fahrt beilege oder mir schon vor dem Einsteigen darüber bewusst bin, dass es einen Stau geben kann, bleibe ich gelassener, falls sich der Verkehr tatsächlich staut.“ Wicke rät, eine innere Stimme zu entwickeln, die sagt „Keep cool“, so wie beim autogenen Training. Der Psychologe ist sich sicher, dass das jeder selbst üben kann. „Am besten fängt man mit einer leichten Aufgabe an.“
Dass es immer auch „charakterlich fragwürdige Typen“ gibt, wie Wicke es nennt, lässt sich nicht vermeiden. „Aber man muss sich von denen ja das Klima auf der Straße nicht verderben lassen. Gelassenheit ist oberstes Gebot.“