Die Arbeit nach Anweisung erledigen, Geld kassieren, fertig: Es gibt Menschen, die ihre Berufstätigkeit pragmatisch sehen, sei es generell oder weil es nur ein vorübergehender Job ist. Andere Arbeitnehmer sind mit mehr Engagement bei der Sache, erhoffen sich aber auch mehr, zum Beispiel Sinnhaftigkeit ihres Tuns, Wertschätzung, persönliche Entwicklung.
Probleme entstehen jedoch, wenn bestimmte Erwartungen an den Arbeitsplatz dauerhaft unerfüllt bleiben. Die Waage gerät dann ins Ungleichgewicht: Für die Leistung, die der Mitarbeiter erbringt, bekommt er nicht genug zurück - und dabei geht es nicht nur um Geld.
Eine derart unbefriedigende Situation kann Beschäftigte dazu bringen, selbst für Ausgleich zu sorgen, und zwar in Form von reduzierter Arbeitsleistung. So beschreiben die Experten der Initiative Gesundheit und Arbeit iga das Entstehen einer "inneren Kündigung". Die iga ist eine Kooperation verschiedener gesetzlicher Krankenkassen (AOK, BKK, vdek) und der Unfallversicherung. Sie beleuchtet den deutschen Arbeitsmarkt aus gesundheitlicher Sicht. Ein solcher Mitarbeiter, heißt es, distanziere sich im Lauf der Zeit immer mehr von der Firma. Er sei irgendwann nicht nur enttäuscht und unmotiviert, sondern er resigniere und empfinde seine Tätigkeit als sinnlos.
WER FRUSTRIERT IST, DESSEN
LEISTUNGSKRAFT IST GEMINDERT
Das Berliner Beratungsunternehmen Gallup veröffentlicht jedes Jahr den "Engagement Index Deutschland". Danach hatten 2018 in einem durchschnittlichen Unternehmen 14 von 100 Mitarbeitern keine emotionale Bindung zu ihrer Firma. Jeder siebte Mitarbeiter also arbeitet nur (noch) fürs Geld, das sind umgerechnet über fünf Millionen Arbeitnehmer.
Für die Arbeitgeber wie für die Arbeitnehmer ist dies auf Dauer nicht tragbar. Den Unternehmen fehlt die Leistung und Innovationskraft dieser Mitarbeiter. Gallup beziffert die wirtschaftlichen Kosten aufgrund innerer Kündigung für das Jahr 2018 auf eine Summe zwischen 77 und 103 Milliarden Euro. Die Betroffenen haben höhere Fehlzeiten und außerdem wirkt sich ihr Verhalten negativ auf das Betriebsklima aus: Ihnen ist es egal, ob sie zu spät zur Arbeit kommen, ob durch ihr Verhalten Betriebsabläufe gestört werden oder ob Kollegen Mehrarbeit haben.
Wer innerlich gekündigt hat, so die iga, äußert häufig seinen Unmut und beschwert sich, redet aber zugleich weniger mit den Chefs und Kollegen und bringt kaum noch konstruktive Kritik oder Ideen ein. Durch seinen unmotivierten "Dienst nach Vorschrift" und häufige Fehlzeiten gefährdet der Betroffene aber seinen Arbeitsplatz - aus der inneren Kündigung kann so eine konkrete werden.
PROBLEME IM JOB KÖNNEN ZUM
PROBLEM IN DER FAMILIE WERDEN
Zudem "gibt es Hinweise darauf, dass sich bei betroffenen Beschäftigten langfristig gesundheitliche Probleme entwickeln", informiert die Krankenkasse AOK. Dazu zählen Schlaflosigkeit, Herz-Kreislauf-Schwäche oder psychische Probleme.
Frust und Resignation können sich zu einer ernsthaften seelischen Krise auswachsen, zum Rückzug und zu Arbeitsunfähigkeit führen. Zugleich leidet das Privatleben: Machen sich in der Anfangsphase angestaute Emotionen in Form von Aggression Luft, leiden Angehörige und Freunde später dann unter einer erlahmten, resignierten Grundhaltung - keine Familie hält das lange aus.
Wie erkennt man, ob man sich in diesem Zustand der inneren Kündigung befindet? Die iga nennt für die innere Kündigung ganz typische Merkmale:
- vermindertes Engagement
- Distanzierung in Gedanken, Emotionen und Verhalten von der Arbeit
- ist kein vorübergehender Zustand
- vollzieht sich schrittweise
- läuft nicht offen, sondern im Stillen ab
- ist ein bewusster Prozess.
Ähnlich könnte man den "Burnout" beschreiben. Darunter versteht man eine schwere emotionale und körperliche Erschöpfung. Sie wird aber erstens am häufigsten durch chronische Überlastung hervorgerufen und zweitens gibt es einen entscheidenden Unterschied: Der Zustand der "inneren Kündigung" entsteht aus eigenem Betreiben heraus und - hier kommt die gute Nachricht - kann auch aus eigener Kraft heraus rückgängig gemacht werden.
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EINFACH DEN JOB ZU WECHSELN,
LÖST DAS PROBLEM NICHT IMMER
Hierbei geht es aber nicht darum, "einfach" den Job hinzuwerfen. So einfach ist das ja auch gar nicht: Sehr oft sprechen wirtschaftliche, familiäre, Gesundheits- oder Altersgründe gegen einen Jobwechsel. Außerdem kann es sein, dass man damit das Problem nur verschleppt: Vielleicht liegt der Frust in zu hohen Erwartungen begründet und selbst der neue Arbeitsplatz könnte das, was man sich vom Beruf erhofft, nicht erfüllen.
Um aus der negativen Haltung herauszukommen, ist eine gründliche Bestandsaufnahme wichtig. Experten beschreiben, dass jeder Beschäftigte neben dem formalen Arbeitsvertrag - der die Arbeitszeiten oder den Lohn regelt - immer auch einen ungeschriebenen "psychologischen Vertrag" mit dem Unternehmen abschließt. Dabei handelt es sich um subjektive Erwartungen wie Wertschätzung, kollegiale Zusammenarbeit, persönliche Weiterentwicklung - während auf der Arbeitgeberseite zum Beispiel Engagement, Zuverlässigkeit und Loyalität erwartet wird.
LIEGT ES AM ARBEITSPLATZ
ODER AN DER GANZEN BRANCHE?
Es gilt nun, die eigenen Erwartungen für sich zu benennen und zu überprüfen. Man sollte sich dafür etwas Zeit nehmen und seine Gedanken notieren. Einen Leitfaden finden Sie im Kasten unten.
Überlegen Sie: Was genau ist so frustrierend? Die Tätigkeit an sich, der Chef, das Betriebsklima, die Bezahlung? Gibt es konkrete Unstimmigkeiten, gab es im Unternehmen eine Umstrukturierung? Vielleicht wird Ihre Arbeit nicht geschätzt und Sie fühlen sich austauschbar. Oder geht es um eine Art Jobmüdigkeit, etwa nach 30 oder 40 Jahren Arbeit, deren Umfeld sich stark verändert hat? Da wird der Chef nicht viel ausrichten können. Wenn es aber in erster Linie organisatorische Gründe sind, die zu Ihrer inneren Abwehr geführt haben - wie Bezahlung, Umstrukturierung oder Versetzung - sollten Sie das in einem offenen, klärenden Gespräch mit dem Vorgesetzten ansprechen. Dasselbe gilt für das Problem mangelnder Wertschätzung. Auch der Austausch mit einem vertrauenswürdigen Kollegen kann weiterhelfen, im besten Fall mit einem Betriebsratsmitglied.
Versuchen Sie, zurück ins Team zu kommen. Hat alles nicht gefruchtet, können Sie immer noch überlegen, ob Sie Ihre "innere Kündigung" in eine konkrete umwandeln und den Arbeitsplatz, die Firma oder auch die Branche wechseln. Nur eines sollten Sie nicht tun: lange warten. +++
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Innere Kündigung: Selbsttest
Um herauszufinden, wie Ihre Haltung gegenüber Ihrem Arbeitgeber ist, ist es am besten, in Ruhe eine kritische Selbstüberprüfung durchzuführen. Folgende Fragen helfen dabei:
- Was an meiner Arbeit gefällt mir?
- Was missfällt mir? Wovon bin ich enttäuscht?
- Gab es Veränderungen in der Firma, die sich negativ auf meine Arbeit ausgewirkt haben?
- Wie ist das Führungsverhalten meiner Vorgesetzten? Was könnte daran besser sein?
- Wird meine Leistung anerkannt?
- Wie ist meine Arbeitsweise, hat sich mein Verhalten verändert?
- Wie empfinde ich die Zusammenarbeit mit Kollegen, bin ich mit jemandem befreundet?
- Wie schätze ich meine derzeitige Wirkung auf Kollegen ein?
- Habe ich das Gefühl, ich zähle in der Firma als Mensch? "Psychologischer Vertrag":
- Was erwarte ich von meinem Unternehmen?
- Welche Erwartungen habe ich an meinen Chef?
- Was erwarte ich von meinem Beruf?
- Empfinde ich meine Arbeit als wichtig?
- Wie habe ich mich beruflich entwickelt, wie hatte ich mir das vorgestellt?
Machen Sie sich Notizen zu Ihren Überlegungen, diese sind ein guter Leitfaden für ein Gespräch mit dem Vorgesetzten.
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Quellen: iga-Report 33; Gallup Engagement Index 2018