Wie oft am Tag fühlen Sie sich gestresst? Einmal, zwei Mal, öfter? Wer unsere überfüllten Straßen als beruflichen "ständigen Aufenthaltsort" gewählt hat, dem bleiben stressige oder ärgerliche Situationen nicht erspart. Viele Kraftfahrer stehen permanent unter "Strom".
Dass Dauerstress krank macht, ist kein Geheimnis mehr. Konzentrationsstörungen, Kopf- oder Rückenschmerzen: Jeder Fahrer kennt das. Stress treibt den Blutdruck hoch (womit das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko steigt), schwächt die Immunabwehr, begünstigt Übergewicht, Schlafprobleme, Verdauungsstörungen, Nikotinsucht.
Es ist wichtig, Stress abzubauen und sich gegen die permanenten Anforderungen zu wappnen. Auf körperlicher Ebene funktioniert dies nach einem simplen Prinzip: Auf Anspannung muss Entspannung folgen - wie bei einem Gummiband. Denn in Stresssituationen geht der Körper in "Hab-acht"-Stellung: die Muskeln ziehen sich zusammen, das Herz schlägt schneller, der Atem wird flacher und unregelmäßiger. Unwillkürlich ballt man die Fäuste oder beißt sich auf die Lippen.
WAS KANN MAN GEGEN DAUERSTRESS TUN?
Die Anspannung - die natürliche "Kampf- oder Flucht"-Reaktion - muss wieder gelöst werden. Das geht zum Beispiel durch anstrengende Bewegungen wie schnelles Treppensteigen. Im Alltag ist das aber nicht immer möglich. Mit der Zeit manifestiert sich der Zustand und der Mensch nimmt gar nicht mehr wahr, wie angespannt er körperlich und geistig ist.
Regelmäßiger Sport wäre ein gutes Mittel, mit dem der Körper in den ursprünglichen Zustand zurückfindet. Entspannungstechniken sind ein weiteres. Dazu zählen Atem- und Meditationstechniken: Der Atem wird beobachtet oder auch gelenkt. Ziel ist es, von der oft zu flachen Atmung in die tiefe, entspannende "Vollatmung" zu gelangen, um Energie zu tanken und Schadstoffe und Kohlendioxid über die Ausatmung loszuwerden. Eine tiefe, regelmäßige Atmung sorgt für eine geringere Grundspannung im Körper.
Die gleiche Wirkung haben körperbetonte Techniken wie die Progressive Muskelentspannung (PME) nach Jacobson oder das Autogene Training, bei denen ebenfalls der Atem eine wichtige Rolle spielt. Hier konzentriert man sich auf den ganzen Körper, erspürt und löst Verspannungen der Muskulatur. Denn ein verspannter Körper wirkt sich auf den Geist aus und kann auch Denkblockaden bewirken.
Die so genannten bewegungsorientierten Entspannungstechniken schließlich sind dynamischer, sie kräftigen zusätzlich die Muskulatur, erhöhen die Beweglichkeit und verbessern die Haltung. Hierzu zählen etwa Yoga oder Qi Gong. Alle Entspannungsmethoden, die wir Ihnen hier vorstellen, fördern die Gesundheit und führen zu mehr Ruhe und Gelassenheit. Sie verbessern das Immunsystem, senken die Pulsfrequenz und den Blutdruck, verbessern die Blutzirkulation und Sauerstoffaufnahme. Die Techniken können Sie sich teils selbst aneignen. Sie sollten Sie aber nur dann ausüben, wenn nicht bestimmte Krankheitsanzeichen dagegen sprechen. Holen Sie sich zuvor den Rat Ihres Arztes.
ATEM-ÜBUNGEN
PRINZIP: In einer akuten Stresssituation hilft es, mehrmals tief einund langsam wieder auszuatmen. Der Körper reagiert auf diesen Impuls mit einem verlangsamten Herzschlag und einer geringeren Muskelspannung, man "kommt runter". Genauso funktioniert das Ganze im Vorfeld: Bewusstes, tiefes Atmen ist eine gute Vorbeugung gegen Stress. Schon das bewusste Wahrnehmen des fließenden Atems lässt ihn tiefer werden und beruhigt die Gedanken. Atemübungen können Sie ganz für sich, in der Lenkpause oder vor dem Einschlafen, zu jeder Zeit ohne Aufwand durchführen, im Stehen, Liegen oder Sitzen (gerader Rücken!). Die entspannende Wirkung zeigt sich sofort!
ÜBUNG 1: Schließen Sie die Augen. Legen Sie die Hände auf Ihren Bauch. Atmen Sie in die Richtung Ihrer Hände, tief in den Bauch hinein. Beobachten Sie Ihren Atem, tun Sie nichts anderes, etwa zehn, zwölf Atemzüge lang. Öffnen Sie dann die Auge wieder.
ÜBUNG 2: An- und Entspannung: Spannen Sie beim Einatmen alle Muskeln Ihres Körpers an. Halten Sie die Spannung kurz. Lassen Sie beim Ausatmen wieder locker. Drei-bis fünfmal wiederholen, in Ihrem eigenen Atemrhythmus.
ÜBUNG 3: Rhythmisches Atmen:
Atmen Sie ein, zählen Sie dabei (z.B. 1 - 2 - 3 - 4). Atmen Sie dann genauso lange aus (1 - 2 - 3 - 4). Das Ein-/Ausatmen sollte gleich lang dauern. Sie können den Zyklus auch ein wenig in die Länge ziehen und damit vertiefen. Während des Tages immer wieder einmal bewusst darauf achten. Eine Variante: Im Stresszustand versuchen Sie für einige Atemzüge, doppelt so lange auszuatmen, wie Sie eingeatmet haben, z.B. ein (3) - aus (6) - ein (3).
ÜBUNG 4: Ausatmung mit Ton:
Atmen Sie tief ein. Atmen Sie dann langsam mit einem hörbaren "aaa" aus. Wieder tief einatmen. Beim nächsten Mal ausatmen ein "o". Tief einatmen. Ausatmen mit "u". Dann das Ganze mit "sch", "f" und "m". Atmen Sie sanft, ohne Anstrengung.
PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG NACH JACOBSON (PME)
PRINZIP: Die PME heißt auch Tiefenmuskelentspannung. Man lernt, sich selbst jederzeit in einen Entspannungszustand zu bringen. Die Methode stammt von dem amerikanischen Arzt Edmund Jacobson (1888 bis 1983). Ziel ist, unbemerkte Verspannungen aufzuspüren, die gesamte Muskulatur im Körper zu lockern und ein besseres Körpergefühl zu entwickeln.
METHODE: Nacheinander werden 16 Muskelgruppen kurz an- und wieder entspannt. Später fasst man die Gruppen zusammen und es ist weniger Zeit zur Durchführung erforderlich. PME ist leicht zu erlernen und auch für sportlich Ungeübte gut geeignet. Man kann es gut vor dem Einschlafen praktizieren oder in einer längeren Pause.
Im Handel gibt es Audio-Dateien, CDs und Apps mit den geführten Übungen zum Lernen. Kurse werden in den meisten Fällen von der Krankenkasse bezahlt.
ÜBUNG ZUM EINFÜHLEN: Ballen Sie Ihre Hand zur Faust. Verwenden Sie nur "halbe Kraft". Halten Sie die Spannung einige Sekunden lang. Lassen Sie dann los. Spüren Sie, wie Wärme Ihre Hand durchströmt, wie die Spannung herausfließt. Mehr Infos: www.dg-e.de
AUTOGENES TRAINING
PRINZIP: Wie der Name verrät, handelt es sich hier um ein autosuggestive Methode, die man (nach dem Erlernen) nicht nach Anweisung durch einen Therapeuten, sondern eigenständig durchführt. Man bringt den Körper in einen hypnotischen (Entspannungs-)Zustand. Das Autogene Training entwickelte der Berliner Psychiater J.H. Schultz in den 20er-Jahren.
METHODE: Beim Autogenen Training gibt es in der Unterstufe sechs Grundübungen wie die Schwere- oder Wärmeübung. Formelhafte Sätze in den Gedanken führen zur Konzentration auf bestimmte Körperteile und -gefühle ("Mein Bein ist schwer"). Atmung und Puls beruhigen sich. Die Übungen können im Liegen oder Sitzen durchgeführt werden. Später folgt die Oberstufe mit Übungen, bei denen es um Selbsterkenntnis und die Stärkung des Geistes und Charakters geht. Mehr Information: www.dgaehat.de
ALEXANDERTECHNIK
PRINZIP UND METHODE: "Wenn man aufhört, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von Selbst", sagte der australische Schauspieler Frederick Alexander um die 19./20.-Jahrhundertwende. Die von ihm entwickelte "Alexandertechnik" zielt darauf ab, eingefahrene, über Jahre gewohnte Bewegungsabläufe, für die unnötig Kraft aufgewendet wird, zu erkennen und durch schonendere Bewegun gen zu ersetzen. Ein Therapeut unterstützt mit gezielten Berührungen. Die Bewegungs- und Handlungsabläufe werden harmonisiert und ergonomischer - und das reduziert Ver spannungen und (Haltungs-)Schäden. Weitere Informationen: www.alex-tech.de oder
www.alexander-technik.org
FELDENKRAIS
METHODE: Ein ähnliches Prinzip hat die Technik "Feldenkrais" nach Moshé Feldenkrais (1904 bis 1984). Gewohnte Bewegungsabläufe werden im Kurs durch neue Varianten ersetzt. Hier ist Probieren und Erforschen angesagt, um zur ureigenen, ursprünglichen (wie in der Kindheit), natürlichen Bewegung zurückzufinden. Beweglichkeit, ein besseres Körpergefühl und weniger Verspannungen und Schmerzen sind der Lohn. Geeignet zur Entspannung ist diese Methode auch nach Krankheit oder Unfall.
ÜBUNG ZUM EINFÜHLEN: Verschränken Sie die Finger. Welcher Daumen liegt oben? Lösen Sie die Hände wieder, dann verschränken Sie sie erneut, aber andersherum. Der andere Daumen liegt jetzt oben. Erspüren Sie den Unterschied. Nähere Info: www.feldenkrais.de
TAI CHI
PRINZIP: Tai Chi stammt aus China und ist ursprünglich eine Kampftechnik. Bei uns wird die Methode hauptsächlich als Entspannungsmethode eingesetzt. Hauptbestandteil sind die Konzentrationsförderung, die Atemtechnik und das Erlernen von fließenden, weichen Bewegungsabläufen. Tai Chi besteht aus dynamischen Übungen im Stehen, zielt auf das Finden und Stabilisieren der Körpermitte ab und erfordert einiges an Konzentration, Übung und Koordinationsvermögen. Es ist aber geeignet für jedes Alter und kann lebenslang geübt werden.
QI GONG
Die über 1000 Jahre alte Technik zählt in China zu den präventiven, gesundheitserhaltenden täglichen Ritualen und ist Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). "Qi" bedeutet so viel wie Lebensenergie /-kraft, "Gong" steht für die Pflege, den Erhalt, die Arbeit. Jede der verschiedenen, tausenden Qi-Gong-Übung hat einen Bezug zu bestimmten Energieleitbahnen im menschlichen Körper (Meridiane). Anders als im Tai Chi sind die Bewegungen etwas statischer und können auch im Sitzen durchgeführt werden.
ÜBUNG ZUM EINFÜHLEN: Sie stehen in einer leichten Grätsche, die Arme hängen locker. Drehen Sie sich leicht nach links, das linke Bein etwas nach vorn stellen. Führen Sie nun, während Sie einatmen, die gestreckten Hände langsam hoch zur linken Schulter/Brust wie in einer Abwehr-Bewegung, also mit den Handrücken am Körper. Schieben Sie nun mit dem Ausatmen ganz langsam eine imaginäre "Welle" von sich weg. Schieben Sie die Welle so weit wie möglich von sich, und immer weiter nach links. Wiederholen Sie die Übung auf der anderen Seite. Informationen www.ddqt.de oder www.taiji-europa.de
TIPP
Entspannungs-Apps für das Smartphone
Warum sich beim Entspannen oder Einschlafen nicht helfen lassen? Allein der Google playstore spuckt Hunderte Apps bei der Suche "Entspannung", "Atmung" oder "Stress" aus. Die derzeit beliebtesten Entspannungs-Apps (iPhone und Android) sind:
- Progressive Entspannung von Biehlsoft®: Beinhaltet ein 40-minütiges Audio-Grundkurs- Training, detailliert angeleitet, ein neunminütiges geführtes Audio-Kurzprogramm (PR) und ein sechsminütiges Audio-Kurzprogramm "Anti-Stress" fürs Büro, Auto, Prüfung usw.
- Alltags-Entspannung von Digitales Design GmbH mit fünf- bis zehnminütigen Audio-Entspannungsanleitungen (z.B. Atem-Entspannung, Pausen-Entspannung).
- 7Mind Meditation & Achtsamkeit von der 7Mind GmbH (gratis): Laut Beschreibung ein komplettes Kursprogramm, das mit der Praxis von Meditation und Achtsamkeit vertraut macht.
- Die Achtsamkeits-App von MindApps: Eine vielfach verkaufte App mit guten Bewertungen. Laut Anbieter ein "Werkzeug zur Steigerung Ihrer Präsenz und Aufmerksamkeit im Leben".
Testobjekt ist die Gratis-App "5 Min Entspannung und Meditation" von Olson Applications Limited. Runterladen, Handy an, Kopfhörer auf, fertig. Ich wähle die Option "Nach der Entspannung aufwecken", möglich wäre noch "Nach der Entspannung einschlafen". Eine angenehme männliche Stimme spricht, begleitet von sanfter beruhigender Musik. Die Anleitungen sind verständlich und führen in der folgenden fünfminütigen Kurzmeditation tatsächlich in einen wohltuenden Entspannungszustand. Die Schlüsselsätze sind dem Autogenen Training und der Progressiven Muskelrelaxation entliehen. Weitere, längere Anleitungen können zugekauft werden. Zum Reinschnuppern in Entspannungs- und Meditationstechniken sehr empfehlenswert!