Ein gesetzlich vorgeschriebener regelmäßiger Sehtest für alle Führerscheininhaber - dafür hat sich kürzlich die Deutsche Verkehrswacht (DVW) ausgesprochen. Der Test solle altersunabhängig und an die Neuausstellung bzw. Verlängerung des Führerscheins gekoppelt sein; bei PKW-Fahrern wäre eine Überprüfung dann nach dem Erwerb spätestens alle 15 Jahre fällig.
Eine Regelung, die überfällig scheint. Denn jährlich kracht es allein 300.000 Mal auf deutschen Straßen (ca. 12,5 % aller polizeilich aufgenommenen Unfälle) weil die Sehleistung des KFZ-Führers mangelhaft ist, so Verkehrsexperten. Bisher aber bleibt es den Verkehrsteilnehmern (außer Berufskraftfahrern) überlassen, ob sie nach Erwerb des Führerscheins jemals wieder ihre Sehkraft testen lassen. Auch das neue Führerscheinrecht, gültig seit Januar 2013, sieht keine Folgeuntersuchung vor.
Viele Verkehrsexperten wünschen sich schärfere Regelungen. Auch in Bezug auf den Pflichtsehtest der Klasse-C-Bewerber. Dieser Sehtest nach § 12 Abs. 2 FEV (Fahrerlaubnisverordnung) stellt auf die zentrale Tagessehschärfe ab. Geprüft wird, ob jemand eventuell weitsichtig ist. Nur dann, wenn der Test negativ ausfällt und auch mit einer Sehhilfe ein zweites Mal nicht bestanden wird, ist eine ausführliche augenärztliche Prüfung der Sehkraft vorgeschrieben.
"Das Problem ist aber, dass für gutes Sehen im Straßenverkehr nicht alleine die Tagessehschärfe zählt", erklärt Dr. Friedrich Eckert, Augenarzt und Pressesprecher des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) in Deutschland. " Mindestens so wichtig ist, zu überprüfen, ob das Sehen im gesamten Gesichtsfeld intakt ist, sodass man das seitliche Geschehen erfassen kann." Auch andere Kriterien der Sehleistung sollten für eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr bestimmte Grenzwerte nicht unterschreiten: Dämmerungs- und räumliches Sehen, Blendempfindlichkeit, Stellung der Augen oder das Farbsehen (s. Interview).
DIE MEISTEN ÜBERSCHÄTZEN IHR SEHVERMÖGEN
Umfragen nach sind fast alle Autofahrer (93 %) der Meinung, dass sie gut genug sehen, um ein Fahrzeug zu führen. Diese Wahrnehmung entspricht nicht der Realität, vor allem nicht bei älteren Kraftfahrern. Fakt ist, so der BVA, dass
- jeder fünfte Autofahrer Nachtsehstörungen hat
- ab dem 50. Lebensjahr allgemein die Sehschärfe bei Dämmerung und Nacht abnimmt
- 11,5 % aller Verkehrsteilnehmer von 50 bis 59 Jahren nachts nicht mehr fahrtauglich sind und
- dies auf rund 20 % aller Autofahrer vom 60. Lebensjahr an zutrifft.
Von der fehlerhaften Selbsteinschätzung - oder auch Uneinsichtigkeit - vieler Fahrer berichtet die Landesverkehrswacht NRW. Sie ist regelmäßig per Infomobil mit einer Sehtesteinrichtung in Nordrhein-Westfalen unterwegs. 2010 wurden fast 15.000 Personen auf folgende Kriterien getestet: Sehschärfe, räumliches Sehen, Seitenblickwinkel, Farberkennung, Dämmerungssehen und Reaktionsvermögen. Das Ergebnis: 2416 Personen, also rund jeder sechste Getestete, erwies sich als fehlsichtig, 334 zeigten bedenkliche Schwächen bei der Farberkennung.
AM BESTEN ÖFTER ALS ALLE FÜNF JAHRE ZUM CHECK
Berufskraftfahrer müssen, um einen Führerschein der Klassen C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D oder DE zu erhalten, ein augenärztliches Zeugnis vorlegen. Bei der Verlängerung (C, CE) sowie im Alter von über 50 Jahren ist alle fünf Jahre ein Besuch beim Augenarzt fällig.
Zu raten ist dennoch, die Sehleistung in kürzeren Abständen überprüfen zu lassen. Auch oder gerade, wenn Sie noch keine Sehhilfe tragen. Ein einfacher Sehtest im Internet genügt nicht, denn wichtig ist, beide Augen getrennt voneinander sowie die genannten Funktionen zu testen. Die Sehleistung kann sich innerhalb von fünf Jahren verschlechtert haben oder es kann sich eine Krankheit wie eine Netzhautablösung oder Grauer/Grüner Star entwickeln. Sollte die Sehkraft auch im Nahbereich schon ein wenig nachlassen, dann ist ein Besuch beim Augenarzt angesagt, bevor zur Billigbrille vom Discounter gegriffen werden kann.
Das Kuratorium Gutes Sehen e.V. (KGS) ist eine unabhängige Initiative und hat es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung auf die Wichtigkeit von gutem Sehen aufmerksam zu machen. Schließlich werden 90 % aller Informationen im Straßenverkehr über das Auge aufgenommen. Die Botschaft der KGS-Kampagne "Seh-Check" lautet denn auch: alle zwei Jahre zum "Augen-TÜV".