In Einzelfällen kann unter Berücksichtigung von Fahrerfahrung und -nutzung der Wert des schlechteren Auges unter 0,5 liegen. Auf keinen Fall aber darf die Sehschärfe unter 0,1 liegen. Dennoch hatte der Kläger, dessen schlechteres Auge eine Sehschärfe unter 0,1 aufwies, einen Führerschein der Klassen C1 und C1E beantragt, er wurde ihm verwehrt. Der Mann klagte, verlor den Prozess und ging in Berufung.
Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) lagen nun zwei unabhängige Sachverständigengutachten vor. Danach bestünde prinzipiell kein Anlass, Menschen mit einer einseitigen Sehschärfe unter 0,1 die Fahrerlaubnis für die Klassen C1, C1E zu versagen, unter folgenden Voraussetzungen: Es müsse sich um beidäugig sehende Personen handeln (beide anatomisch vorhandenen Augen nehmen am Sehvorgang teil), die Betroffenen müssten auf jedem Auge ein normales Gesichtsfeld haben und müssten in der Lage sein, ein bei ihnen nicht vorhandenes räumliches Sehvermögen vollständig zu kompensieren.
Das warf für den BayVGH die Frage auf, ob die deutsche Rechtsvorschrift möglicherweise zu restriktiv ist und der europäischen Grundrechtscharta entgegensteht. Werden die Grundrechte des Mannes verletzt, indem man ihn wegen seiner Behinderung benachteiligt? Die Richter reichten diese Frage nun an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter. Nach Beantwortung durch den EuGH wird das Berufungsverfahren fortgesetzt.
Bayersicher Verwaltungsgerichtshof
Beschluss vom 5.7.2012
Az: 11 BV 1764/11