Es geht doch heutzutage nichts über das richtige Marketing: Da schöpft Daimler aus den Tiefen seines Actros-Baukastens, kreiert daraus ein Modell, gibt ihm den Namen Antos und fertig ist der selbst ernannte "erste spezialisierte schwere Verteiler-LKW". Dass das Baby vom Genspender etwas viel Speck mitbekam, ist ein unvermeidlicher, dem schwäbischen Kostenund Synergiebewusstsein geschuldeter Effekt, hat aber zwei Seiten.
Einerseits ist der mit allen Actros-Goodies vom hier schweren 10,7-l-Motor (990 kg!), über den Wasserretarder, 12-Gang-Powershift-3-Getriebe bis hin zum fast komplettem Arsenal an Fahrassistenzsystemen (GPS-Tempomat nur i.V. mit OM471) ausstaffierte Antos 2543 für den Solo-Betrieb überqualifiziert. Die wohl wenigen Nahverkehrsfahrer, denen der Chef ein solches Auto auf den Hof stellt, können sich dafür glücklich schätzen.
FAHRKOMFORT FAST WIE IM FERNVERKEHRSTRUCK
Denn sie genießen ähnlichen Fahrund Antriebskomfort wie die Kollegen im Fernverkehrs-Modell mit Stern. Anders als ein eher "dünnwandiger" MAN TGM zeigt sich der Antos von Kanaldeckeln oder Autobahnfugen unbeeindruckt. Die feinen (Massage-)Komfortsitze filtern den Rest weg: Die Straße findet gefühlt weit unter dem flachen Motorplateau statt. Durch selbiges gelangen zwar mehr Geräusche als im auch schon nicht leisen Actros. Aber beim geringen Auslastungsgrad des OM470 mit 2100 Nm tönt es nie aufdringlich. Trotz hohen Komforts ist das Handling nicht zu entkoppelt und trifft die Mitte zwischen exakt und leichtgängig.
Im Einsatzgebiet eines Verteilerfahrers noch nützlicher als im Fernverkehr macht sich die Powershift 3, die flüssig durchwechselt und stets den passenden der zwölf Gänge parat hat. Der Schaltroboter weiß um die üppigen Reserven, überspringt großzügig und hält am Berg cool die Stufe. Manuelle Eingriffe waren kaum nötig. Der Ecoroll-Freilauf aktiviert sich dezent und sorgt für ein Cruising-Gefühl.
Bergab zügelt der Aquatarder von Voith mit 750 kW die 26 Tonnen so leise und vehement, dass mancher Nachfahrende entnervt aufblinkt. Solo genügt die aufgeladene Dekompressionsmotorbremse völlig, auch schon 462 PS stark.
Beim Rangieren erfreut der generell recht übersichtliche Antos neben dem hilfreichen Zehn-Grad-Schwenkmechanismus des rechten Außenspiegels (per Tastendruck) mit dem Alleinstellungsmerkmal der "Kriechfunktion". Die erlaubt millimetergenaues Manövrieren nur mit dem Bremspedal wie beim Wandlerautomaten. Ob die Kupplung das auf Dauer goutiert, steht auf einem anderen Blatt ...
UNTERFORDERT: DER ANTOS WÄRE FIT FÜR 40 TONNEN
Andererseits zeigt sich der solo leicht unterforderte 26-Tonnen-Verteiler aus Wörth gewappnet für höhere Aufgaben: Ein Anhänger an die am Testwagen vorhandene Ringfeder-Kupplung, und auf einmal wirken sowohl der 10,7-Liter-Motor wie auch der Retarder angemessen. Und dann wandelt es sich wiederum in einen Vorteil, dass der Antos etwas fülliger geraten ist. Im Gegensatz zum Hauptrivalen TGM, dessen Zuggesamtgewicht bei maximal 33 Tonnen endet, schöpft der Antos vierzig Tonnen voll aus - da müsste man bei MAN TGS wählen.
So gesehen gehen dann die 10.720 Kilo des Solo-Fahrzeugs mit Junge-Koffer und Bär-2-t-Bordwand wieder in Ordnung. Auch wenn ein von der Konfiguration in etwa vergleichbarer 22-Tonnen-TGM mit Orten-Getränkekoffer im Test nur 9980 Kilo auf die Wage brachte - mit kleinem 6,9-l-Motor, versteht sich. Daimlers 7,7-l-Maschine würde im Antos gleich 340 Kilo sparen und sei für den Solo-Betrieb empfohlen. Wer will, kann mittels "Loader"-Optionen weiter abspecken: dünnere Frontscheibe, Entfall des Beifahrersitzes, kleinere Batterien oder Kombitank für Diesel und Adblue - klingt ein wenig nach Kosmetik, aber immerhin.
Apropos: Allzu viel von den beiden Betriebsstoffen musste man am Ende der Testrunde nicht nachschenken: 24,9 l/100 km (inkl. Adblue) sprechen für sorgsam reduzierte Rollwiderstände, clevere Features wie Eco-Roll und für ausgefeilte Aerodynamik. Aber auch für die Mühelosigkeit der "großen Maschine". Purer Luxus eben.