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Vergleichstest Iveco Stralis 480 gegen 460: Lohnen 20 PS mehr?

25.10.2018 08:00 Uhr
Vergleichstest Iveco Stralis 480 gegen 460: Lohnen 20 PS mehr?
Der Iveco Stralis mit 480 PS trat gegen den 460 Ps starken an
© Foto: Karel Sefrna

460 oder besser gleich 480 Pferdestärken? Im markeninternen Iveco-Duell trifft der Stralis XP 460 auf seinen (fast) baugleichen, um 20 PS stärkeren Bruder. Welcher Italiener macht das Rennen?

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Power kann ein Lastwagen nie genug haben! Von dieser Stammtischweisheit ausgehend, müssten viele Leser wahrscheinlich nicht lange überlegen, für welchen der nahezu eineiigen Iveco-Zwillinge sie sich entscheiden würden. Denn optisch mögen die beiden Stralis XP zwar gleich aussehen, technisch sind sie es nicht. Das erkennt das geschulte Auge beim Blick auf die Türen, genauer gesagt auf den Schriftzug, der auf diesen prangt. 20 Pferdestärken oder bei Nutzfahrzeugen bekanntermaßen viel wichtigere 150 Newtonmeter Drehmoment trennen die familieninternen Kontrahenten.

Doch trifft eingangs erwähnte Stammtischweisheit in der Praxis wirklich zu oder sollte man den 480er stehen lassen und zum günstigeren XP 460 greifen? Schließlich ließe sich mit den dadurch rund 5000 eingesparten Euro eine Menge an Sonderwünschen erfüllen ...

DER 480ER ARBEITET MIT EINER KLEINEN RATE ABGASRÜCKFÜHRUNG

Für den Hersteller scheint die Sache eindeutig. Schließlich versprechen die Italiener beim 480er einen nochmals geringeren Diesel- und AdBlue-Verbrauch. Der Grund dafür heißt Smart-EGR, also eine kleine Rate (circa sechs Prozent, ausschließlich im Teillastbereich) an Abgasrückführung, die Iveco dem 11,1 Liter großen Cursor-Reihensechszylinder nur in seiner stärksten Ausführung mit auf den Weg gibt. Die 460 PS starke Einstellung arbeitet dagegen nach dem "Only-SCR"-Prinzip, benötigt also nur SCR-Kat und Partikelfilter.

Anders als die Wettbewerber verwendet Iveco die Abgasrückführung nach eigenen Angaben nicht, um die bei der Verbrennung entstehenden Stickoxide zu eliminieren. Smart-EGR soll allein für eine Verbrauchsreduzierung im Teillastbereich sorgen. Das System senkt hier die Temperatur im Zylinder und sorgt durch einen vorverlegten Einspritzbeginn für sauberere Verbrennung und damit einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch. Da drängt sich sicher nicht nur den TRUCKER-Testern die Frage auf, warum dann nicht alle Einstellungen des Cursor 11 über Smart-EGR verfügen?

Für den Fahrer macht's jedenfalls keinen Unterschied. In beiden Fällen gefällt der Antrieb, trotz seines vergleichsweise geringen Hubraums, mit spontanem Ansprechverhalten und hoher Elastizität. Vor allem niedrige Drehzahlen liegen dem bei beiden Leistungseinstellungen per variablem Turbo beatmeten Reihensechszylinder. Stralis-Fahrer schätzen diesen Bereich allerdings weniger, denn unterhalb von 1000 Touren neigt der Cursor-Sechszylinder zum Brummen und entwickelt Vibrationen, die bis ins Lenkrad spürbar sind und manche Verkleidung innerhalb der Kabine zum Erzittern bringen - mit entsprechender akustischer Resonanz.

Auf niedrige Drehzahlen sind trotzdem beide Testfahrzeuge ausgelegt, Iveco gab ihnen die längste verfügbare Hinterachsübersetzung des Stralis-Programms mit auf unsere genormte und wie immer mit unserem Mercedes-Benz Actros 1845 referenzierte TRUCKER-Teststrecke.

Bei Reisetempo 85 km/h liegen in beiden Test-Stralis lediglich knapp 1050/min an. Nachteile an Steigungen ergeben sich dadurch aber nicht. Einerseits, weil Rückschaltungen ohne Zutun des Fahrers souverän und passabel schnell vom automatisierten Traxon-Schaltgetriebe von ZF ausgeführt werden. Und zum anderen, weil zumindest mit unserem auf 24 Tonnen ausgeladenen Krone-Testauflieger auf der Sattelplatte auch bergauf keinerlei Hektik aufkommt. In beiden Fällen setzt die Steuerungselektronik zunächst auf die Drehmomentreserven der Antriebe. Wobei die zwölfte Fahrstufe im 460er sogar einen Wimpernschlag länger aktiviert bleibt als beim nominell stärkeren Modell. Das schon bei 925 Touren und damit immerhin 45 Touren früher anliegende Drehmoment des schwächeren Motors dürfte der Grund dafür sein. Spätestens bei 980 Touren wird aber auch hier der elfte Gang bemüht, wodurch man bei knapp 1350 Touren landet. Beide Iveco benötigten auf keiner Steigung der Testrunde eine weitere Rückstufung. Und auch der elfte Gang ließe sich länger herauszögern, würde der GPS-Tempomat - bei Iveco Hi-Cruise genannt - vor knackigen Steigungen bis an den Begrenzer beschleunigen, um mehr Schwung in den Berg mitzunehmen.

DER GPS-TEMPOMAT IST AUF HOHES TEMPO AUSGELEGT

Was an Hi-Cruise zusätzlich auffällt: Das System ist nicht so feinfühlig abgestimmt wie die GPS-Piloten mancher Wettbewerber. Zusätzlich agiert es anders, es nimmt nämlich schon weit vor der Kuppe das Gas langsam zurück, bis die untere Hysterese erreicht ist. Erst oben angekommen schaltet Hi-Cruise in den Freilaufmodus und lässt den Stralis meist im Freilauf in den Retarder laufen. Vielleicht nicht die sparsamste Strategie, Iveco verweist aber darauf, dass der Zug so schneller wieder auf Tempo kommt und die Fahrer Hi-Cruise daher eher agieren lassen.

Machen lassen kann man den Stralis auch am Ende des Gefälles. Iveco ist mittlerweile der einzige Hersteller, der löblicherweise auf die umstrittenen 90 km/h plus "x", um länger kraftstoffsparend in die Ebene auszurollen, verzichtet.

Doch auch ohne solche Finessen kann sich vor allem der Verbrauch eines der beiden Probanden sehen lassen. Anders als vom Hersteller propagiert ist es aber der schwächere Bruder: Der 460er absolvierte die Testrunde mit 25,24 l/ 100 km und reiht sich damit aktuell auf Rang vier unseres Rankings ein. Zulasten der Geschwindigkeit geht das nicht, mit einem Schnitt von 79,2 km/h ist der 460 zügig unterwegs.

Tempo ist aber das Metier des stärkeren Iveco. Er brennt mit 79,90 km/h einen neuen Streckenrekord in seiner Leistungsklasse in den Asphalt. Vor allem an Steigungen nehmen die 480 PS und die 2300 Newtonmeter Drehmoment dem 460er Sekunden ab (siehe Tabelle Bergwertung Seite 36). Dafür flossen aber 0,6 l/100 km mehr Diesel durch seine sechs Brennräume. Immerhin beim AdBlue-Konsum kann er erwartungsgemäß gegen den Only-SCR-Bruder punkten, mit 7,19 zu 7,91 Prozent vom Dieselverbrauch.

Das Fazit fällt trotzdem eindeutig aus. Zumindest wenn man wie wir bei der Testfahrt nicht immer voll ausgeladen unterwegs ist, sollte man dem wirtschaftlicheren 460er den Vorzug geben. Die dadurch gesparten Anschaffungskosten in eine bessere Ausstattung zu investieren, wird der Fahrer mehr spüren als die Leistungsunterschiede zum stärkeren Modell.

2019 SOLL DER STRALIS-NACHFOLGER MIT NEUER KABINE KOMMEN

Denn schließlich gelten auch die anerkannten Stralis-Pluspunkte für beide Iveco. Da wären das sportlich knackig abgestimmte Fahrwerk und die präzise ausgelegte Lenkung zu nennen. Auch die Kabinenaufteilung mit dem komplett an die Rückwand klappbaren oberen Bett, die ordentliche Grundausstattung oder die serienmäßige Alleinfahrerausstattung, bei dem das untere Bett zur Sitzecke samt großem Tisch mutieren kann, gefällt nach wie vor.

Nachholbedarf hat der große Italiener bei Sitz- und Lenkrad-Verstellung, Geräuschdämmung und an der einen oder anderen Stelle bei Materialauswahl und Verarbeitung. Aber mit diesen Kritikpunkten wird der für nächstes Jahr erwartete neue Stralis sicher aufräumen.

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