Die freitägliche Ankündigung „am Montag übernimmst du deine neue Scania-Zugmaschine“, löst über das gesamte Wochenende entsprechende Vorfreude aus. Vor dem geistigen Auge sieht man sich bereits in ein schmuckes R- – oder vielleicht gar in ein S-Modell mit dem neuen 540-PS-Motor – steigen und schmiedet insgeheim schon Pläne für Verschönerungen und nachträgliches Zubehör. Umso größer die Enttäuschung: Anstatt eines R oder S steht lediglich ein G-Modell auf dem Hof, noch dazu ohne Highline-Hochdach und „nur“ 410 PS stark. Der jüngst gewonnene Großauftrag spiele sich lediglich im nationalen Verkehr ab und sei schwergewichtig, was ein möglichst niedriges Leergewicht der neuen Zugmaschine erfordert, lautet die Begründung aus der Chefetage.
Mit 7,16 Tonnen ist der G kein wirkliches Leichtgewicht
Wobei die Bezeichnung Leichtgewicht für die Testzugmaschine nur bedingt anwendbar ist. 7,16 Tonnen bringt sie mit vollen Tanks (400 Liter Diesel, 60 Liter AdBlue) auf die unbestechliche Waage. Für ein Modell des schwedischen Herstellers, dessen Produkte gewichtsmäßig eher nach oben streuen, zwar ein niedriger Wert. Den Konkurrenten – allen voran der Erzrivale Volvo Trucks aus dem eigenen Land – aber deutlich unterbieten könnten. Aber wie steht es um die anderen Attribute des G mit Normalkabine? Lassen sich auch in ihm die bei Fahrern und Unternehmern gleichsam beliebten ScaniaTugenden finden oder ist er so etwas wie ein Modell zweiter Klasse des Herstellers?
In Sachen Triebstrang definitiv nicht, schließlich treibt die Kombination aus DC13-Sechszylinder und Opticruise-Schaltbox auch die Vielzahl der größeren R- und S-Modelle an. Der exakt 12,7 Liter große Motor hängt willig am Gas und gefällt mit überdurchschnittlicher Laufruhe, ist im G-Modell allerdings etwas deutlicher vernehmlich als von den größeren Fahrerhäusern gewohnt. Nicht wirklich wohl fühlt sich die zweitschwächste Leistungseinstellung mit 410 PS des Scania-Reihensechsers aber im Bereich unterhalb von 1000/min, auch wenn störende Vibrationen ausbleiben. Dies dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass das maximale Drehmoment der 410-PS-Einstellung erst ab 1000 Touren voll anliegt und damit verglichen mit den Sechszylindern manches Wettbewerbers eher spät.
Opticruise liefert eine souveräne Vorstellung
Im Gegensatz dazu keinen Vergleich zu scheuen braucht auch im G-Modell die automatisierte Schaltung Opticruise, die Scania bekanntermaßen in Eigenregie fertigt. Die Schaltlogik des Zwölfgang-Getriebes benötigt nur in seltensten Fällen eine helfende Hand, was zu jeder Gelegenheit über den rechten Lenkstockhebel möglich ist. Auch die Wechsel der Schaltstufen geschehen sauber und schnell, nicht zuletzt auch wegen der Vorgelegewellenbremse, die beim Hochschalten die Zahnräder gezielt abbremst und für schnelles Einrücken der gewünschten Fahrstufe sorgt. Scania-typisch gesetzt ist beim G die Kombination mit dem ebenfalls hauseigenen Retarder, denn die 242 kW schwache Motorbremse wäre selbst mit den vergleichsweise leichten 32 Tonnen der Testfuhre hoffnungslos überfordert. Für den Retarder spricht, neben hoher Sicherheit und Komfort, die von den Scania-Ingenieuren sehr gelungene Integration ins Bremssystem.
"In der G-Kabine dominiert der Motortunnel"
Dagegen steht aber wie immer das höhere Gewicht der Dauerbremse. Ebenfalls Kilos kosten die ZweiblattParabelfeder an der Vorderachse – Scanias neue, leichtere Einblattfeder war zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbar. Dafür sorgt die Zweiblatt-Ausführung für Komfort, weshalb sich der G auch hier nicht vor seinen großen Brüdern verstecken muss. Im Gegenteil: Die tiefer montierte Kabine ohne Hochdach gibt sich bei Kurvenfahrt spürbar weniger den Fliehkräften geschlagen als R und vor allem S; in Sachen Fahraktivität liegt der G damit klar vor den „großen“ bei Scania.
Weitere Pluspunkte sammelt der kleine Greif bei den Sichtverhältnissen. Vergleichsweise kompakte Spiegelgehäuse und schmale A-Säulen sorgen zusammen mit dem tief gezogenen Armaturenträger und der niedrigen Sitzposition dafür, dass der G in Sachen Sicht als vorbildlich bezeichnet werden darf. Die Kehrseite der Medaille thront in der Kabine allerdings zwischen den beiden Sitzen: 340 Millimeter hoch baut sich der Motortunnel auf und erschwert den Zugang zum Bett oder gar auf die andere Fahrzeugseite deutlich. Von besagter Kiste bis zum Dach verbleiben dann auch nur 1,46 Meter Luft, also viel zu wenig, um aufrecht stehen zu können. Auch in Sachen Stauraum sieht’s eher mau aus, die Fächer über der Frontscheibe bieten addiert lediglich knapp 80 Liter Volumen und auch der Kühlschrank taugt mit 30 Litern nur für kürzere Touren.
Womit wir beim Stichwort wären, denn es kommt wie immer darauf an, wofür man das Fahrzeug einsetzt. Disqualifiziert sich das normale G-Fahrerhaus für den Fernverkehr, sieht es bei nationalen oder gar regionalen Touren mit seltenen Übernachtungen anders aus. Hier kann sich der Fahrer/die Fahrerin mit dem Raumangebot arrangieren und freut sich über den 1,27 Meter niedrigen Einstieg über vier Stufen. Trotzdem möchten wir auch für solche Einsätze das Highline-Hochdach ans Herz legen, bei dem es sich übrigens um das gleiche handelt, das Scania auch den R- und S-Kabinen aufsetzt. Das Plus an Bewegungs- und Stauraum ist merklich und das Fahrpersonal dürfte sich auf diese Weise schneller mit einem G anfreunden – in Zeiten des Fahrermangels kein unbedeutender Faktor.
Die Testrunde überwindet der G 410 sehr sparsam
Besagte Option sollte für den Chef drin sein, denn die wirtschaftlichen Kennzahlen des G 410 stimmen. Die TRUCKER-Runde überwindet das Testfahrzeug mit unserem Krone-Auflieger auf der Sattelplatte mit 24,89 l/100 km und gehört damit zu den sparsamsten Kandidaten, der mit einem Schnitt von knapp 79,6 km/h unauffällig im Verkehr mitschwimmt – mit 32 Tonnen Gesamtgewicht wohlgemerkt. Und im schweren Verteilerverkehr dürften es die 410 PS schließlich von Abladestelle zu Abladestelle immer leichter haben. Wie gesagt, es kommt eben darauf an, für welchen Einsatz der Chef seinen G 410 einzusetzen gedenkt.