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Supertest Renault T 480: Verkannter Franzose

08.09.2018 08:00 Uhr
Renault T 480
Mit Referenz-Lkw getestet: Der Rnault T 480
© Foto: Karel Sefrna

Der Renault T hat es bei den Fahrern nicht leicht. Der Test mit dem 480 Highcab zeigt: Der Franzose macht vieles anders, was aber längst kein Nachteil sein muss.

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Um gegen bestehende Vorurteile ankämpfen zu können, bedarf es guter Argumente. Und diesen knallgelb lackierten T 480 will Renault als solches zu verstehen wissen. Den kritischen Stimmen stellen die Franzosen eine große Highcab-Kabine mit ebenem Boden und kompletter Ausstattung samt Webasto-Standklimaanlage, gepaart mit 480 PS aus dem Maschinenraum, entgegen.

An Kritikern mangelt es seit jeher nicht. Zu unkonventionell fällt vielen das Design des Renaults aus, zu eigenwillig frankophil sind manche Details gelöst. Dabei gilt wie so oft: Diejenigen, die tatsächlich einen T fahren, sind meistens auch zufrieden damit und schätzen besonders das Zusammenspiel zwischen Motor und Getriebe (siehe Facebook-Kommentare, Seite 22). Dieser Meinung schließen wir uns uneingeschränkt an, wobei Renault selbst dazu nur bedingt beiträgt. Denn beim DTI-13, der im Testfahrzeug in seiner zweitstärksten Ausführung maximal 480 PS und 2400 Newtonmeter Drehmoment den Fahrwiderständen entgegensetzt, handelt es sich um eine "Leihgabe" der Konzernmutter Volvo.

Gleiches gilt fürs Getriebe. Hinter dem Namen "Optidriver" versteckt sich nichts anderes als Volvos automatisiertes Schaltgetriebe "I-Shift". Lediglich die Abstimmung und Steuerung der beiden Komponenten durften die Renault-Ingenieure selbst vornehmen und erledigten den Job keinesfalls schlechter als ihre Kollegen in Göteborg. Die Gangwechsel erfolgen überdurchschnittlich schnell und in allen Belastungszuständen sauber. Auch außerhalb des Tempomatmodus ist die Software auf Zack und leitet bei leichtem Lupfen des Gaspedals sofort eine Hochschaltung ein.

MIT 900 TOUREN AM BERG?
FÜR DEN DTI-13 KEIN PROBLEM

Danach setzt die Elektronik auf "Gang halten": Wohl wissend, dass dem Reihensechszylinder Vibrationen auch im Drehzahlkeller fremd sind, lässt Optidriver an Steigungen schon mal 900 Touren zu und spart dadurch oft eine Rückschaltung ein. Selbst den steilsten und längsten Stich unserer Testrunde, den Kindinger Berg auf der A 9, überwand der 480er im zwölften Gang.

Hilfe kommt dabei vom GPS-Tempomaten, "Optivision", der vor Steigungen mitunter automatisch das Tempo erhöht, um möglichst viel Schwung mit in den Berg zu nehmen. Ansonsten arbeitet das System unauffällig im Hintergrund, aber nicht frei von Fehlern. Wo die GPS-Tempomaten der Wettbewerber - auch der des Konzernbruders Volvo FH - die Streckenbeschaffenheit zum Spritsparen nutzen, lässt das Renault-System manche Kuppe aus, obwohl das System den Kontakt zur Datenwolke keinesfalls verloren hat, wie dem Zentraldisplay zu entnehmen ist.

Eher lässig interpretiert die Elektronik zudem die eingestellten Grenzen. Warum das Tempo nicht mal auf 78 km/h abfallen lassen, obwohl bei 80 km/h eigentlich Schluss sein sollte? Spätestens in solchen Situationen kommt man in Versuchung, dem Sparwillen des Franzosen per Tritt aufs Gaspedal ein Ende zu setzen. Ähnliche Kritik gilt für die Regelgenauigkeit der Optibrake+-Motorbremse. Deren 520 PS haben zwar keine Probleme, die knapp 32 Tonnen schwere Testfuhre bergab im Zaum zu halten, die Elektronik leitet die dafür nötigen Rückschaltungen aber zu spät ein. So zeigt der digitale Tacho mitunter bereits 93 km/h an, bevor sich die Kompressionsbremse mit voller Kraft gegen das Gefälle stemmt.

Gute Noten ernten Fahrwerk und Lenkung. Vorbei die Zeiten, in denen man im T-Vorgänger Magnum auf Landstraßen drohte, seekrank zu werden. Der T präsentiert sich auch mit luftgefederter Vorderachse fahraktiv, lässt sich präzise einlenken, und die Wankneigung der Kabine hält sich trotz der hohen Highcab-Kabine in angenehmen Grenzen.

RENAULT LÖST VIELE DETAILS ANDERS ALS DER WETTBEWERB

Wer die zum ersten Mal erklimmt, wundert sich zunächst über den senkrecht montierten Extra-Haltegriff in der Mitte des Einstiegs. Der soll laut Renault das Einsteigen zusätzlich erleichtern, findet in der Praxis aber kaum Verwendung. Er ist aber das erste Indiz dafür, dass beim Renault eben vieles anders ist als bei anderen Lastwagen. Einiges, wie beispielsweise die nach eigenem Geschmack versetzbaren Schaltereinheiten im Cockpit, erachten wir als unnötig.

Auch die versteckten Tasten an der Unterseite des Lenkrades, zum Beispiel für den Tempomat, die fummelige Bedieneinheit für die automatisierte Schaltung am rechten Lenkstockhebel, welcher für manuelle Schalteingriffe zusätzlich horizontal anstatt wie bei allen Wettbewerbern vertikal bewegt werden will, machen Renault-Neulingen das Leben unnötig schwer.

Sind Fahrer außerdem groß gewachsen, werden sie ihre Zeit brauchen, im T eine geeignete Sitzposition zu finden. Denn die Lenkradverstellung scheint Renault auf eher kleinere Körpermaße abgestimmt zu haben. Kein Ruhmesblatt, bedenkt man, dass der T die zweitjüngste Lkw-Konstruktion auf dem Markt ist.

Bei anderen Dingen bietet der Renault dafür vorbildliche Ideen: Da wäre beispielsweise das neue Batteriekonzept, bei dem zwei 75-Ah-Säurebatterien allein für den Motorstart vorgesehen sind. Die restlichen Batterien (210-Ah-Gel-Akkus) stehen ausschließlich für den "Wohnraum" zur Verfügung, also für Innenlicht, Laptop oder Mobiltelefon. So ist auch genug Saft garantiert, um den Sechszylinder nach längerer Standzeit wieder ins Leben zu rufen. Weitere hilfreiche Details, die unverständlicherweise noch von keinem Wettbewerber kopiert wurden: das ankippbare Vorderteil des oberen Bettes, das so zur sicheren Ablage mutiert, der sich beim Rückwärtsfahren automatisch einschaltende Warnblinker oder die zwei verschiedenen Tempomatmodi, durch die man mit einem Knopfdruck zwischen Autobahn- und Landstraßentempo wechseln kann.

MIT VIEL AUSSTATTUNG IST DER T 480 KEIN LEICHTGEWICHT

Darüber hinaus bieten die Renault-Optionslisten umfangreiche Möglichkeiten, den T nach eigenen Wünschen zu konfigurieren. Der Testwagen verfügte jedenfalls über eine volle Hütte, was auf der Waage seinen Tribut fordert. Mit 7841 Kilogramm gehört die Testzugmaschine zu den schwergewichtigen Kandidaten.

Vielleicht war das auch ein Grund dafür, dass der T 480 beim Verbrauch keine neue Benchmark setzen konnte: Auf unserer 352 Kilometer langen Testrunde, wie immer durch unseren Referenz-Actros abgeglichen, konsumierte der Renault 26,18 l/100 km und reiht sich damit im Mittelfeld ein. Dafür gehört er mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 79,27 km/h zu den zügigeren Kandidaten, was viele Fahrer sicher positiv zur Kenntnis nehmen werden.

Wenn also ein neuer T 480 Highcab auf dem Hof stehen sollte, ist das kein Grund zur Klage. Vielmehr darf man sich auf einen souveränen Antriebsstrang, hohen Komfort und großzügige Platzverhältnisse freuen. Und an die oben angesprochenen Eigenheiten gewöhnt man sich nach spätestens einer Woche. Vorurteile haben ihren Ursprung eben meistens in Unwissenheit.

KABINEN-WERTUNG

Renaults Highcab-Kabine bietet dank ebenem Fahrerhausboden eine durchgehende Innenhöhe von 2,05 Metern und großzügige Platzverhältnisse, die selbst die größte Globetrotter-XXL-Kabine von Volvo übertreffen. Etwas Platz kostet die angewinkelte Mittelkonsole, die weit in den Innenraum ragt, aber einer besseren Erreichbarkeit der Bedienelemente während der Fahrt geschuldet ist. Viel unterbringen lässt sich in den vier Außenstaufächern, welche die große Kabine bietet. Für die Fächer ist Platz, weil Renault das Fahrerhaus einfach höher montiert, das Hochdach ist dagegen mit der kleineren Sleeper-Cab-Kabine identisch.

Etwas schade: Für die Staufächer oberhalb der Frontscheibe ist der Raum nach oben nicht komplett ausgenutzt und damit Platz verschenkt. Ansonsten finden sich im Renault viele praxisgerechte Details. Dazu gehört etwa, dass sich die Fahrerkarte auch bei ausgeschalteter Zündung aus dem Digitacho nehmen lässt. Allerdings stellt sich der Bordcomputer beim Einlesen der Fahrerkarte nicht automatisch auf die Landessprache des Fahrers um.

SERVICE UND WARTUNG

Wie bei jedem TRUCKER-Supertest begutachtete der TÜV SÜD auch den Renault T 480 Highcab in Sachen Service und Wartung. Der Franzose bietet ein Wartungsintervall von 100.000 Kilometern, das heute allenfalls noch als durchschnittlich durchgeht. Allerdings genügen dem T auch Standardöle, was die Kosten für einen Schmierstoffwechsel senken sollte. Zudem gefällt der Renault mit einem wartungsfreien Fahrgestell, einem umfangreichen Diagnosesystem sowie einem - wenn auch kompliziert bedienbaren - Bordcomputer. Auch ein Peilstab für die Kontrolle des Motorölstands findet sich hinter der Frontklappe. Den Waschwasserbehälter platzierten die Ingenieure crash- und frostgefährdet im direkten Spritzbereich des Vorderrads, dafür lässt er sich aber leicht auffüllen. Der Tausch der vorderen Leuchtmittel ist ohne Werkzeug möglich, die in LED-Technik ausgeführten Tagfahr- und Rückleuchten sollten ein Lasterleben lang durchhalten.

FAZIT

Der Renault T bietet Volvo-Technik zum günstigeren Preis. Und mit der großen Highcab-Kabine offenbart der Franzose bessere Platzverhältnisse als ein Globetrotter XL. Bei Details wie der Lenkradverstellung gibt es beim T noch Verbesserungspotenzial. Und vielleicht mögen Renault-Fans ihren T ja gerade wegen seines eigenwilligen Bedienkonzeptes. Auf jeden Fall hat der Franzose mehr Fans verdient!

IM TEST:

RENAULT T 480 Modell: Renault T 480 Highcab
Hubraum: 12.800 cm3
PS (kW): 480 (353) bei 1400 - 1800/min
Drehmoment (Nm): 2400 bei 950 - 1400/min
Leergewicht: 7841 kg (400 l Diesel, 65 l AdBlue)

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