Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Der DAF XF105 geht in seine letzte Runde! Zur IAA in Hannover präsentieren die Niederländer den Nachfolger - der dann wohl konsequenterweise XF115 heißen wird. Nach dem Motto: Je oller, je doller, geht man in Eindhoven nochmal in die Vollen und unterstützt den Abverkauf des 105ers mit dem konsequent aufs Sparen optimierten Sondermodell XF105.460 ATe. In Rente kann das aktuelle Modell noch nicht gehen. DAF hat vor, 105 und 115 parallel zu bauen. Wer Euro 5/EEV kauft, bekommt 105. Wer ab Frühjahr 2013 auf Euro 6 setzt, bekommt den 115er.
Unser aktuelles Testauto bleibt also bis zur gesetzlichen Notwendigkeit von Euro 6 im Programm und muss daher den Beweis antreten, dass der holländische Würfel in puncto Fahrzeugqualität und Kraftstoffverbrauch noch mithalten kann.
MIT ENORMEM ANTRITT AUS NIEDRIGEN DREHZAHLEN
Auch wenn DAF den Motor inzwischen mehrfach überarbeitete (s. Kasten S. 38), hat er seinen grundsätzlichen Charakter nicht geändert: Er bollert aus niedrigen Drehzahlen ordentlich los und wuchtet dank 162 Millimeter Hub schon bei 800 Touren massig Drehmoment auf die Kurbelwelle. Höhere Drehzahlen kann er - will er aber nicht! Wer im Gefühl der Eile den grünen Bereich nach oben verlässt, wird mit erheblichem Mehrverbrauch bestraft.
Das dürfte auch der Grund sein, warum die aktuelle Schaltstrategie des automatisierten AS-Tronic-Getriebes grundsätzlich bei 1500 Touren die Gänge wechselt. In Fahrerschulungen wird den Chauffeuren beigebracht, gerade in den unteren Gängen ein wenig mehr auszudrehen und Gänge zu springen. Davon hat das ZF-Getriebe in der DAF-Programmierung nichts gehört ...
Egal wie schnell oder weit der Fahrer das Gaspedal durchdrückt, am Ende des grünen Bereichs schaltet der "Automat" Gang für Gang durch. Den Fahrer mag es noch so ärgern, Möglichkeiten des Einflusses hat er nicht mehr. Teil des ATe-Pakets ist die Unmöglichkeit, manuell in den Schaltrhythmus einzugreifen. Nur beim Aktivieren der Motorbremse lässt sich zurückschalten.
BEIM ANFAHREN IST ZUNÄCHST EIN SENSIBLES FÜSSCHEN GEFRAGT
Am größten wird der Ärger des Piloten vor Steigungen. Statt mit Schwung und etwas mehr Drehzahl in den Berg zu gehen, kann man nur "abwarten und Tee trinken", bis die Motordrehzahl nahe dem dreistelligen Bereich angekommen ist und die Getriebesteuerung endlich ein Einsehen hat und schaltet. So macht Sparen wirklich keinen Spaß! Diese lethargische Auslegung in Kombination mit einem auf 85 km/h abregelnden Tempomaten sichert das Temperament einer Schnecke. Subjektiv glaubt man sich zwei Leistungsklassen tiefer angesiedelt.
Da hilft es wenig, dass die Gangwechsel und die Kupplungssteuerung jetzt geschmeidiger arbeiten. Wenngleich beim Anfahren ein sensibles Füßchen gefordert ist. Nur leicht anlegen, und erst wenn der Schleifpunkt überwunden ist, sollte der Fahrer Gas geben. Sonst nämlich rupft die Kupplung und der Chauffeur wird mit einer aus den Angeln gehobenen Kabine bestraft.
Ein Leichtgewicht war der Niederländer ja noch nie. Ihn aber durch den Verzicht auf einen Retarder aufs Abnehmen zu trimmen, ist der falsche Weg. Mag die MX-Motorbremse auch ordentlich Leistung haben, den 40-Tonner vermag sie auf typischen Autobahngefällen nicht in Zaum zu halten - schon gar nicht, wenn der Fahrer im Tempomatmodus fährt. Da heißt es: achtsam sein, nach der Kuppe die Motorbremse manuell aktivieren (damit man zurückschalten kann) und in den Zehnten gehen. Andernfalls läuft der Zug ruckzuck über die 90 km/h und der Tritt aufs DAF-typische "Vollformat-Bremspedal" ist nötig. In der Praxis werden die Fahrer wohl meist so verfahren, wobei beim manuellen Eingriff der gesetzte Tempomat rausfliegt. Auch das eine Unsitte, die wir schon vielfach kritisiert haben. Das bekommen andere ja auch hin, dass Beibremsungen keinen Einfluss auf gesetzte Geschwindigkeiten haben.
EIN FERNVERKEHRSAUTO OHNE RETARDER GEHT GAR NICHT!
Immerhin verzögern die Betriebsbremsen ordentlich - wenn sich der Fahrers ans knochige Gefühl der "Trittplatten-Bremsbetätigung" gewöhnt hat. Die Umstellung auf die beim Test wechselnden Trailergewichte bekommt die EBS-geregelte Anlage auf jeden Fall gut hin.
Mit seiner zielgenauen und direkt ausgelegten Lenkung lässt sich der DAF gut in den Griff bekommen. Allerdings zeigen sich stets leichte Zuckungen und minimale Vibrationen im Volant. Vor allem auf schlechter Fahrbahn ist die Lenkung nicht frei von Einflüssen. Das Lenkrad selbst bietet einen weiten Verstellbereich. Die in die Speichen integrierten Taster, unter anderem für den (Brems-)Tempomat, lassen sich gut bedienen. Warum DAF bis heute auf die Integration der Radiobedienung verzichtet, bleibt rätselhaft.
Beim Fahrverhalten scheinen die DAF-Ingenieure ein wenig zu Scania geschielt zu haben. Der 105er ist insgesamt eher straff abgestimmt. Vor allem die Hinterachse teilt unmissverständlich den Zustand der Fahrbahn mit - was mit sinkender Sattellast schon in Richtung "unkomfortabel" abdriftet. Für Restkomfort sorgt allenfalls eine relativ weiche Kabinenaufhängung, mit dem Nachteil, dass der Würfel in seinen vier Lagerstellen mächtig arbeitet. Beim Bremsen neigt sich das Space-Cab heftig, in Kurven schaukelt es zur Seite.
Was die Klimatisierung betrifft, raten wir, bei "Klimatronic" ein Kreuzchen zu machen. Die manuelle Anlage regelt ungenau, und oft weht ein undefinierbarer, kühler Hauch durch die Kabine. Im Vergleich zu neueren Fahrzeugen fällt auf, dass die Sicht aus dem DAF eher schlecht ist und dass die Spiegel recht mickrig ausfallen. Da gibt' s beim Nachfolger doch einiges an Verbesserungspotenzial. Und an den zahlreichen versteckten Schaltern rund um die Lenksäule sowie am ergonomischen Konzept könnte man generell das eine oder andere verbessern.
Letztlich setzt der XF105.460 ATe um, was seine Erbauer von ihm erwarten: Er spart gegenüber einem Standard-105er deutlich Kraftstoff. Doch das geht eindeutig zu Lasten der Fahrfreude. Und man merkt dem Niederländer an, dass er inzwischen in die Jahre gekommen ist. Will DAF die Numer drei bleiben, wird' s jetzt tatsächlich langsam Zeit für etwas Neues!
TRUCKER FAZIT
Ich finde es nach wie vor klasse, was die Holländer aus einem 25 Jahre alten Kabinenkonzept herausholen. Gut, etwas altbacken wirkt der 105er inzwischen, und technisch läuft er auch ein wenig hinterher. Aber selbst im Space Cab gibt's ausreichend Lebensraum, einen ansprechenden Fahrerplatz und bequeme Sitze. Die Idee des ATe-Pakets ist nicht neu, aber, wie der Test zeigt, wirkungsvoll!
TRUCKER-Tester Gerhard Grünig