Die Marke mit dem Greif versteht sich wie kein zweiter LKW-Hersteller auf die kontinuierliche Pflege ihres Images. Kein anderer Lastwagen genießt einen solchen Ruf, ja fast schon Kultstatus. Dazu trug und trägt vor allem der legendäre Achtzylinder bei. Aber auch das behutsam entwickelte Design, das den Scania R mit Abstand zum beliebtesten Modell der Showtruckszene macht - nicht selten noch mit dem auf die "Supercharged"-Modelle anspielenden "Super"-Schriftzug im Grill.
Jüngster Image-Kniff der Södertäljer war die Reanimierung des Labels "Streamline". Doch was ist eigentlich dran an der Legende? Bei der Überprüfung hilft die direkte Gegenüberstellung der alten und neuen Streamline-Modelle. "Oh Gott, was ist das eng hier", das ist der erste Gedanke, der einem durch den Kopf schießt, sobald man vom neuen auf das alte Baumuster der 3er-Reihe wechselt. Und man fragt sich spontan, ob denn früher beim Verkauf eines Scania ein Gymnastikkurs inklusive war. "Wie sind die bloß hinter in die Koje gekommen?", rätselt der Reporter und versucht es trotzdem.
Herausgeschlängelt also aus dem grabbelig-plüschigen Sitz. Gut, dass der nicht allzu viel Seitenkontur aufweist. Das Knie durchgeschoben zwischen Lenkrad und dem weitaufragenden Schaltstock. An Lenkrad und Sitz geklammert irgendwie in "Felgaufschwung"-Position kommen und "ruff" auf die enorme Motorkiste, die auch noch von Ablagen aller Art zerklüftet wird. Jetzt auf allen vieren und den schmalen Graten der Fächer weitergerobbt - oder alternativ per eingesprungener Judo-Rolle in die enge Koje gewuchtet.
TIEFE KOJE: DA SCHAUT MAN UNFROH AUS DER WÄSCHE
Obwohl, das empfiehlt sich nicht wirklich. Denn man verschwindet wie in einem Loch und die Liege darf als eher sporadisch gepolstert bezeichnet werden. Unglücklich und wie eingebunkert liegt man dann da in der Schlafstatt und träumt sich voraus ins 2013er-Modell, das in Sachen Platzangebot und Liegekomfort zwar auch keine Maßstäbe setzt. Aber dem 3er doch so meilenweit voraus ist, dass man nicht glaubt, es lägen nur 20 Jahre zwischen den beiden Streamlinern. Schöne neue Lasterwelt!
Hinzufügen muss man natürlich, dass der 3er-Scania damals auch im Wettbewerbsumfeld nicht gerade als "Komfort-King" bekannt war. Ein Hochdach gab es lange Zeit überhaupt nicht, das Aufsatzdach unseres 113ers war schon das "Topline", somit das höchste der Gefühle. Ein späteres Experiment mit dem aufgepappten, nebenbei sündteuren "Starline"-Stahlhochdach schaffte es zwar mal zum TRUCKER-Test, trug aber qualitativ nicht gerade zur Legendenbildung bei. Zu der Zeit waren andere wie der Renault AE, aber auch Mercedes SK mit Eurocab-Hochdach, MAN F90, DAF XF Super Space Cab oder der Volvo FH buchstäblich "haushoch" überlegen.
TAFF IM AUSTEILEN, ABER AUCH HART IM NEHMEN
Auch beim Fahrkomfort fragt man sich ein wenig, wie Scania diesen legendären Ruf erlangen konnte: Bretthart und ruppig gibt sich der 113er, die schwergängige Lenkung braucht einen kräftigen Bizeps und der Schalthebel erhält den Titel "Des Widerspenstigen Zähmung". Auch heute gehört der Scania ja zu den straffen Vertretern der Zunft. Besonders unbeladen federt er "sportlich" - und doch gegenüber dem "Alten" regelrecht sanft.
Definitiv: Scania-Fahrer mussten hart im Nehmen sein. Aber ist es möglich, dass sich gerade deshalb auf den 2/3er-Baureihen, von 1980 bis 1995 aktuell, ein Ruf wie Donnerhall begründete? Nicht nur die Fahrer waren ja taffe Kerle. Auch das Fahrzeug besaß bombenfeste Langzeitqualität und es gibt nicht wenige Scania aus dieser Phase, die in Afrika oder Asien ihr drittes bis viertes Leben verbringen - Ende offen. Währenddessen hat in Europa längst Verklärung eingesetzt, verwöhnt vom aktuellen Modell werden frühere Sünden verziehen. Und dann war und ist da ja auch noch dieser Sound aus acht Töpfen.