Eines haben die beiden Test-Trucks gemeinsam - auch wenn 26 Jahre zwischen ihren Erstzulassungen liegen: Eigentlich hätte es beide nicht geben dürfen. Den 640er-TGX nicht, weil MAN irgendwann verkündet hat, dass so ein starker Motor nur in einer Schwerlastzugmaschine Sinn macht ... Und den UXT nicht, weil MAN und die übernommene Tochter Büssing seit etwa 1960 Tradition beim Thema Unterflur hatten. Aber 30 Jahre lang kam keiner auf die Idee, das Konzept in einer Sattelzugmaschine umzusetzen.
Weil bekanntermaßen nichts unmöglich ist, wurden sie dann doch gebaut. Ob ein 640er als 4x2 Sinn macht, mag jeder für sich selbst entscheiden. Andere Hersteller haben noch deutlich stärkere Zugmaschinen im Programm. Der TGX 18.640 ist kein Top-Seller, aber er wird von Leistungsfetischisten gerne gekauft. Das war beim UXT dagegen nie der Fall. Wie viele eigentlich gebaut wurden, liegt heute ein wenig im Dunkel der Firmenhistorie. Angeblich waren es vier Allrad-Versionen und die gleiche Zahl 4x2.
AUCH DER TRUCKER HATTE EINEN UXT ALS ERSTES REFERENZAUTO
Und in den Verkauf kamen die Unterflur-Sattelzugmaschinen nie. Der frühere TRUCKER-Tester Hans-Georg von der Marwitz, damals auch Truck-Racer in den Diensten der Münchener, hatte einen 19.362 als 4x2. Und TCH, Lkw-Vermieter und ebenfalls Truck-Race-Rennstall, fuhr einen 4x4. Und dann gibt es noch den 19.422, den sich das Werk behalten hat und der ebenfalls - und das war die Grundidee des UXT - ein Allrad ist.
Vater des UXT war der damalige Entwicklungschef Gerhard Rieck. Angesichts steigender Leistungen und wachsender Gesamtgewichte war sein Gedanke, dass man eigentlich vier angetriebene Räder benötigt, vor allem aber eine bessere Gewichtsverteilung. Was also lag näher, als den Motor nach bekannter Büssing-Manier liegend zwischen die Räder zu positionieren, dahinter das Getriebe und das Ganze so, dass eine Antriebswelle zur Vorder- und eine zur Hinterachse geht.
Die Idee hatte sicher ein paar gute Ansätze. Zumal der UXT mit nur 3,1 Metern Radstand extrem kompakt ausfällt. Aber der komplizierte Winkeltrieb des Getriebes und die am Ende des Tages doch nicht ganz ausgeklügelte Gewichtsverteilung vereitelten einen nachhaltigen Erfolg. Daran konnten auch die nur heckgetriebenen Varianten nichts mehr ändern. Nach einigen Prototypen zwischen 1989 und 1992 war Schluss. Der UXT blieb ein unvollständiges Kapitel der MAN-Historie.
Dabei hat das Konzept durchaus gute Seiten. Schon vor knapp 30 Jahren ermöglichte der Unterflur einen flachen Kabinenboden im ohnehin schon geräumigen Hochdach-Fahrerhaus des MAN F90. So etwas boten die Münchener erst viele Jahre später wieder im TGA an. Zudem überrascht der 19.422 durch sein niedriges Geräuschniveau. Da kann selbst der aktuelle TGX trotz seiner dicken Dämmmatten unter der Kabine - aber eben dem Motor an konventioneller Stelle - kaum mithalten. Ganz abgesehen davon, dass der "Sound" des UXT einfach der bessere ist.
Wenn es natürlich um die Ausstattung geht, kann der Urahn dem TGX - zumal als Sondermodell "Lion Pro" - nicht annähernd das Wasser reichen: Luxus-Schlafliegen mit Sieben-Zonen-Matratze und Lattenrost, farblich einstellbares Innenlicht, Fahrerassistenzsysteme im Dutzend, fette 385er Niederquerschnittsreifen sowie Edelstahl und Chrom ohne Ende gab's vor 26 Jahren allenfalls für Lkw-Fahrer in einem Science-Fiction-Roman.
DER NEUE KANN ALLES BESSER, DER ALTE HAT MEHR CHARAKTER
Andererseits zehrt MAN gerade bei den älteren Fahrern vom legendären Ruf des F90, der mit Hochdach und 12-Liter-Sechszylinder zu seiner Zeit mehr Platz und Power hatte als viele Wettbewerber.
UXT versus TGX ist dennoch ein ähnlicher Vergleich wie Golf II gegen Golf VII - der Neue kann einfach alles besser und ist trotz fast doppeltem Drehmoment und 220 PS mehr Leistung deutlich sparsamer und vor allem auch sauberer. Trotzdem erwischt man sich bei der Testrunde mit dem weißen Exoten bei dem Gedanken, dass früher nicht alles schlecht(er) war. Die Erinnerung verklärt so einiges.