Lang hat's gedauert. Aber was lange währt, wird bekanntlich gut. Jetzt präsentiert MAN ein Update für die aktuelle Fahrzeuggeneration in Form eines neuen Motors, wie auch eines GPS-Tempomaten für die Onroad- und Eco-Roll für die Offroad-Modelle. Die Münchener sind nicht die Ersten, kommen aber noch vor DAF, Iveco und Renault, wo der GPS-Tempomat kein Thema zu sein scheint. Die Selbstbeschränkung der Franzosen und Niederländer auf 520 bzw. 510 PS überflügelt MAN. Der neue Motor bringt es auf bis zu 640 PS.
MAN ging bei der Realisierung des neuen Tempomaten sehr auf die Fahrerbedürfnisse ein. Um die Chauffeure nicht zu überfordern, verzichtet man auf die freie Programmierbarkeit der Hysterese (Intervall über- und unterhalb der gesetzten Marschgeschwindigkeit). "Das finden wir für den Fahrer zu kompliziert", erläutert Michael Singer, Produktverantwortlicher für TGS und TGX, wo das System künftig verbaut werden soll.
Weil man auch in der Lösung der Konzernschwester Scania nicht den optimalen Weg sieht - dort gibt es zwei Einstellvarianten - offeriert MAN insgesamt vier, je nach Verkehrssituation angepasste Lösungen:
-> +9/-9 km/h für freie Autobahnen und maximales Sparpotenzial
-> +7/-7 km/h bei leichter Verkehrsdichte
-> +6/-5 km/h bei erhöhter Verkehrsdichte
-> +3/-3km/h bei dichtem Verkehr.
Ausgehend von einer im Tempomat gesetzten Geschwindigkeit von 85 km/h - die sieht MAN, wie auch Scania und Mercedes, als optimalen Kompromiss - schwankt die Geschwindigkeit im Eco-Modus 4 zwischen 76 und 94 km/h, im Eco-Modus 1 zwischen 82 und 88 km/h. Bergab erlaubt MAN im Eco-Modus 4 bis zu 94 km/h. Allerdings nur 40 Sekunden. Dann verzögert der LKW auf 90 km/h, um einem Geschwindigkeitseintrag auf dem Digitacho vorzubeugen. Diese Auslegung hilft, auf Berg-und-Tal-Strecken Schwungspitzen optimal zu nutzen und nutzt ansonsten die Rollenergie optimal aus.
DER GPS-TEMPOMAT KANN IN DER PRAXIS ÜBERZEUGEN
Der Praxistest auf den sehr hügeligen Autobahnen rund ums spanische Granada belegt hohe Praxistauglichkeit. Vor den teils steilen Anstiegen mit bis zu acht Prozent beschleunigt das "Efficient Cruise" genannte System den Zug auf rund 88 km/h. Damit kann der Fahrer Schwung mitnehmen und die meist nötige Rückschaltung lange hinauszögern. Im Berg favorisieren die Münchner eine eher leistungsbetonte Fahrweise und warten mit der Rückschaltung nicht so lange wie Scania. Während die schwedische Schwester im Eco-Modus auf Beschleunigungsphasen vorm Berg verzichtet, erlaubt MAN sie generell als Mittel, die Transportgeschwindigkeit zu erhöhen und gleichzeitig Kraftstoff zu sparen.
Kurz vor der Kuppe hat sich Entwickler Sascha Hoffmann eine ebenfalls neue Strategie einfallen lassen. "Statt einer Schwarz-Weiß-Regelung, wie bei den Wettbewerbern, nehmen wir das Gas sanft zurück. Gerade wenn der Zug nicht voll ausgeladen ist, kommt es so zu keiner ungewollt starken Verzögerung. Auch wenn der Zug voll ist, ist eine entsprechende Rampe der Gaswegnahme für den Fahrer komfortabler als der abrupte Gaswechsel", erklärt der MAN-Ingenieur. Nach zwei Tagen Test müssen wir diese Thesen stützen. Efficient Cruise fährt exakt so, wie es auch ein guter Fahrer machen würde. Zudem provozieren die sanften Gaswegnahmen keinen drastischen Geschwindigkeitsabbau und verleiten so keinen Hintermann zum Überholen - um dann im folgenden Gefälle als Hindernis wieder vor dem eigenen LKW zu fahren.
Der neue GPS-Tempomat ist MAN gut gelungen. Das gleiche Urteil können wir über den neuen D38-Motor fällen. Bis auf die Frage, welchen Sinn 560 PS generell machen. Im Falle des 640ers ist der Fall klar: Der ist - zunächst mal - für die Schwerlastzugmaschinen gedacht. In Kombination mit einer neuen Wandlerschaltkupplung, der WSK 440 von ZF, offeriert er 3000 Newtonmeter maximales Drehmoment. So viel wie der bislang verbaute V8. Der hat zwar 40 PS mehr, aber die MAN-Ingenieure versprechen durch die neue Triebstrangkonfiguration eine Performance auf identischem Niveau.
Diesem Kraftpaket - hinter vorgehaltener Hand wird kund getan, dass bereits 4x2-Zugmaschinen mit dem Power-Triebwerk erste Runden drehen - konnten wir noch nicht auf den Zahn fühlen. Aber schon die 520- und 560-PS-Varianten machen einen sehr ordentlichen Eindruck. Ohne mit technischen Finessen überfordern zu wollen, hat das drehmomentstarke Triebwerk ein paar technische Leckerbissen zu bieten: Es ist unter anderem der erste Serienmotor mit optimierter Common-Rail-Einspritzung bis zu 2500 bar Einspritzdruck.
D38: BEI GLEICHER POWER 160 KILO LEICHTER ALS DER V8
Mit einem maximalen Verbrennungsdruck von 250 bar setzt der D38 ebenfalls eine Bestmarke. Praxisrelevanter ist jedoch seine EVB-Motorbremse mit 300 Kilowatt Bremsleistung. Das reicht aus, um einen 40 Tonnen schweren Zug auf durchschnittlichen deutschen Autobahngefällen im Zaum zu halten. Zudem verspricht MAN für 2015 eine Turbo-Motorbremse mit sagenhaften 600 Kilowatt Bremsleistung. Das ist mehr, als die derzeit leistungsstärksten Retarder bieten.
D38-Motoren-Chef Ulrich Wiebicke schränkt zwar ein, dass dieses Power-Paket zunächst nur für Schwerlastzugmaschinen lieferbar sein wird. Auf absehbare Zeit soll die Turbo-Motorbremse dann auch konventionelle Fahrzeuge verzögern. Der Mitteldruck liegt unterhalb von 250 bar, der Motor verkraftet die Verzögerungsleistung schadlos.
Speziell der 560er lässt in den spanischen Bergen kaum den Wunsch nach noch mehr Leistung aufkommen. Selten muss die Warnblinkanlage aktiviert werden - in Spanien üblich, wenn die Geschwindigkeit unter 60 km/h fällt. Während viele andere Trucks der 500-PS-Klasse mit Dauerblinken die Steigung hoch kriechen, zieht der Power-MAN auf der linken Spur vorbei. Ob die 560 PS auf deutschen Autobahnen Sinn machen, sei dahingestellt. Für unsere Belange ist es wohl eher der 520er, als Ersatz für den auf dem D26 basierenden 540er, der die Euro-6-Umstellung nicht geschafft hat.
Mit dem neuen Triebwerk ist zumindest ein kleines Manko verbunden: Weil der Power-Triebling einiges an Kühlleistung verlangt, gibt es ihn nicht im TGS mit seinem schmalen Kühler. Wer auf der Baustelle unterwegs ist und einen 6x4 oder 8x4 mit ordentlich Dampf unter der Haube will, hat ergo ein paar Hundert Euro (und Kilo) mehr für die große Kabine auf der Rechnung.
ECO-ROLL IM FERNVERKEHR LÄSST AUF SICH WARTEN
Interessenten der sogenannten Traktionsmodelle müssen auch an anderer Stelle Verzicht üben: Der GPS-Tempomat ist für diese Fahrzeuge vorerst nicht verfügbar. Dafür stellt MAN als weitere Premiere in diesem Segment Eco-Roll vor. So gut der GPS-Tempomat in den Fernverkehrsautos funktioniert, so groß ist das Potenzial für Weiterentwicklung beim Rollen in Neutral. Das System geht relativ spät bis gar nicht ins ökonomische Rollen mit Standgas. Im 8x4, mit naturgemäß hohem Rollwiderstand, ist es nur in sehr wenigen Fällen in Aktion. Auch im 6x4 mit Zentralachsanhänger, der deutlich mehr Potenzial bieten würde, sind kaum echte Rollphasen zu verzeichnen. Um es kurz zu machen: Da muss MAN noch mal ran.
Dafür gefällt die Kriechfunktion umso mehr. Eine solche hat sich bereits bei Volvo und Mercedes als wirkungsvoller Helfer, unter anderem beim Rangieren, erwiesen. Sie funktioniert auch bei MAN sehr wirkungsvoll und lässt sich nach kurzem, einmaligen Gasgeben aktivieren. Und auch bei der Schaltgeschwindigkeit legen die Münchener zu. Ab sofort ist Speed-Shift für die Gänge zehn bis zwölf verfügbar. Das macht Gangwechsel im Berg extrem viel flotter, bis irgendwann die Doppelkupplungsgetriebe folgen sollen.
Die D38-Mannschaft ist also gut aufgestellt. Zumal der neue Motor viel wartungsfreundlicher ist als seine Vorgänger, drei Prozent weniger Diesel und 65 Prozent weniger Adblue brauchen soll als der D26 mit 540 PS. Damit dürften die Bayern spät, aber stark aufspielen.