Geduckt steht er da, als lauert er sprungbereit, sich jederzeit die nächste Fuhre Kies zu schnappen, der DAF CF 450 4x2 vor einem Meiller-Dreiachskippsattel. Verantwortlich für die raubtierhaft wirkende Optik unseres Testkandidaten ist das niedrig aufgesetzte Fahrerhaus mit flachem Dach und Schlafabteil, das von der Oberkante des Sattels überragt wird.
Vorteil dieser tiefen Konfiguration: Nach nur zwei Stufen hat der Fahrer den Boden erreicht und nimmt hinter dem Lenkrad Platz. Der erste Schritt ist mit 59 Zentimetern Höhe allerdings nichts für Menschen mit kurzen Beinen. Dafür soll die gerade Vorderachse in Kombination mit der verkürzten und robust ausgeführten ersten Trittstufe der Bodenfreiheit sowie dem Böschungswinkel zugutekommen. Auf der Grube des DAF-Händlers Tschann in Poing bei München sieht die Konstruktion überzeugend aus. Einzig der Schmutzschutz aus Kunststoff unter dem Motor wirkt etwas zerbrechlich für grobe Einsätze.
RADAR ÜBERSTIMMT FAHRER UND TRITT VORSICHTSHALBER AUF DIE BREMSE
Für den Vortrieb unseres Testwagens sorgt die Top-Einstellung des 2017 überarbeiteten Paccar MX-11-Motors mit einer Leistung von 449 PS und im 12. Gang bis zu 2300 Newtonmetern Drehmoment. Raubkatzengleiche Sprünge, so viel sei vorab verraten, sind damit nur begrenzt drin. Dafür entspanntes Dahinrollen, wie es zum Farbton des Testers, Jamaica Blue, ohnehin besser passt. Neben dem Motor haben die Niederländer im vergangenen Jahr ebenfalls Fahrerhaus, Abgasreinigungssystem, Getriebe und Achsen einer Frischzellenkur unterzogen. Die Maßnahmen bringen laut DAF mehr Leistung und Drehmoment, ein Nutzlastplus von 100 Kilo, längere Serviceintervalle (maximal 200.000 Kilometer) und bis zu sieben Prozent weniger Verbrauch (siehe TRUCKER 7/2017 und 12/2017).
Unsere Tour führt vom Kieswerk Ebenhöh in Pliening östlich von München Richtung Norden via A 99, B 13 und Staatsstraßen nach Pfaffenhofen von dort geht es über die A 9 zurück.
Gleich auf den ersten Metern der A 99 schützt die Maschine den Menschen und der Abstandsregeltempomat (ACC: adaptive cruise control) zeigt mit überraschend beherztem Abbremsen, dass er in engen Situationen den Überblick behält. Der Fahrer hat die Situation anders beurteilt und hätte den CF etwas weiter auf das vor ihm einscherende Auto auflaufen lassen - allerdings auf Kosten eines (zu) geringen Abstands.
ECO-OFF BRINGT MIT MEHR DREHZAHL WENIGER TEMPOVERLUST AM BERG
Das maximale Drehmoment des überarbeiteten 10,8-Liter-Motors liegt ab 900 Umdrehungen an. Zudem hat DAF dem Aggregat "Multi Torque" spendiert. Es setzt im höchsten Gang zusätzliche 100 Newtonmeter frei. Beides soll dem automatisierten Getriebe ermöglichen, länger in der zwölften Fahrstufe zu verweilen. Die einst zehnprozentige Drehmomentreduzierung im Eco-Modus für die Gänge eins bis elf ist dagegen Geschichte. Jetzt ändert der Fahrer mit Druck auf die Eco-Off-Taste nur noch die Schaltstrategie. Je nach Fahrsituation wandern die Schaltpunkte nach hinten und lassen 100 bis 150 Umdrehungen mehr zu. Das sorgt für ein Leistungsplus am Berg. Wechselt der Motor in den Teillastbereich, stellt sich der Eco-Modus nach kurzer Zeit von selbst wieder ein. Das Sortieren der zwölf Gänge übernimmt das automatisierte Traxon-Getriebe von ZF. Die verbesserte Software beschleunigt die Schaltvorgänge und soll häufiger auf den Eco-Roll-Modus in der Neutralstellung setzen.
Beim Verzögern helfen dem Fahrer Scheibenbremsen sowie die Kombination aus dreistufiger MX-Kompressions- und Auspuffklappenbremse mit 340 Kilowatt Bremsleistung. Leider ist der Bedienhebel recht schwergängig. Zudem will dieser vorausschauend genutzt werden. Spätestens in der dritten Stufe schaltet das Getriebe zurück, um die für die Bremsleistung nötige Drehzahl zu erreichen. An starken Gefällen legt unser Testzug mit seinen 40 Tonnen Schubkraft derweil noch einmal kräftig an Geschwindigkeit zu. So kommt die MX schon mal an Grenzen, wenn sie im Zulauf auf einen Ort auf die geforderten 50 Kilometer verzögern soll. Hier würde ein Retarder mehr Souveränität bringen.
Auf unserer Runde mit teils knackigen zehn, und zwölfprozentigen Steigungen arbeiten Motor und Getriebe gut zusammen. Auf den ersten Metern auf der B 13 nutzt der Tempomat die Kuppen vorbildlich. Lässt vor ihnen die Geschwindigkeit abfallen, um sie im Gefälle rollend wieder aufzubauen.
Manchmal könnte die Motor-Getriebe-Kombi mehr auf das Drehmoment vertrauen: Auf einer ebenen Passage Richtung Ingolstadt fährt der DAF mit 65 bei 1130 Touren im 11. Gang. Da das Drehmomentmaximum bei 900 Umdrehungen beginnt, wäre hier der 12. durchaus einen Versuch wert gewesen. Manuelles Hochschalten bringt den Beweis: Die Maschine kommt im 12. Gang bis unter 900 Umdrehungen klar und hält ihn dann auch im wieder eingestellten Automatikmodus.
VOLLER SCHUB IM KAMPF GEGEN DEN DIESELVERBRAUCH
An kernigen Steigungen hat der 11-Liter-Motor mit den 40 Tonnen zu kämpfen und schafft es erst mit der zusätzlichen Power aus dem deaktivierten Eco-Modus, nicht weiter an Geschwindigkeit zu verlieren. Wie den Turbo-Boost des Computer-Autos K.I.T.T. aus der Serie Knight Rider darf sich der Fahrer den zusätzlichen Schub aber nicht vorstellen. Trotz des Mehrgewichts von 180 Kilo sollte, wer häufiger Strecken mit anspruchsvoller Topografie fährt, über den größeren 13-Liter-Motor nachdenken. Dessen mittlere Einstellung leistet 483 PS und stemmt 2500 Newtonmeter.
Auf der Autobahn Richtung München will der kleine, laufruhige Elfliter im Zusammenspiel mit dem Tempomaten dann beweisen, was in ihm steckt: 93 km/h zeigt der Tacho an. Der begleitende Werksfahrer beruhigt: "Das hält er nicht so lang, dass ein Eintrag auf der Fahrerkarte entsteht." Dennoch, eingestellt sind 85 mit minus fünf und plus vier - da hat es das System mit der Nullförderung im Schubbetrieb sehr gut gemeint und vor der anstehenden Steigung auf Raubkatzenangriffsgeschwindigkeit beschleunigt.
FAZIT
Leicht, aber nicht leichtfüßig
Grundsätzlich gibt es an der Arbeit der Top-Einstellung des Elf-Liter-Motors im DAF CF 450 nichts auszusetzen: unaufgeregt und ruhig lassen sich mit ihm Kilometer abspulen. Für gewichtskritische Einsätze ist er daher eine sinnvoll leichtgewichtige Wahl. Für eine leichtfüßigere Fahrt über Berg und Tal ist die mittlere Einstellung des größeren 13-Liter-Motors die fahrdynamisch entspanntere Wahl. TRUCKER-Tester Serge Voigt