Es war der dritte bewaffnete Überfall in weniger als einem Jahr, der gegen chinesische Staatsangehörige oder Interessen gerichtet war: Diesmal wurde ein Bus auf der Nationalstraße 13 beschossen. Der chinesische Fahrer wurde verletzt, konnte aber sein Fahrzeug weiterhin sicher steuern.
Niemand ist in der Lage, solche gezielten und wiederholten Aggressionen zu erklären. Botschaften westlicher Länder warnen ihre Staatsbürger und weisen sie auf die Gefahren hin, die beim Befahren dieser Straße drohen. Ausländische Touristen, die im Wesentlichen nach Laos kommen, um Luang Prabang zu besuchen, die frühere Hauptstadt des Königreichs, bekommen langsam Angst und ziehen das Flugzeug der Straße vor. Dabei ist diese brandneu. Nach jahrelangen Bauarbeiten ist es endlich möglich, das gesamte Land von Norden nach Süden komfortabel zu durchqueren.
LKW-FAHRER SOUPHAN VERTRAUT AUF DIE GEISTER
Souphanh hat indes keine Angst. Am Steuer seines Lkw fährt der Laote seit Jahren die Strecke von Luang Prabang zur chinesischen Grenze mit Abstechern nach Vietnam.
Er verlässt sich darauf, dass er unter einem guten Stern steht - und zählt auf gute Geister, die ihn bei Problemen beschützen können. Außerdem hat er keine Wahl: "Ich muss eine zehnköpfige Familie ernähren", erklärt er mit einer guten Prise Fatalismus. "Wenn ich getötet werde, erhalten sie keine Entschädigung. Aber wenn ich nicht arbeite, haben sie auch nichts zu essen."
Sein Lkw, ein mit zahlreichen Rückspiegeln geschmückter Isuzu, den er in Thailand gebraucht gekauft hat, glänzt blitzblank und kommt spielend mit den Bergen zurecht, aus denen der gesamte Norden des Landes besteht. So ist die Straße 13, die sogenannte Route der Franzosen, die das Land durchquert und China mit Kambodscha verbindet, perfekt asphaltiert und ohne Weiteres mit einer sehr schönen französischen Landstraße vergleichbar.
Im Gegensatz dazu besteht der überwiegende Teil der 15.000 restlichen Kilometer weiterhin aus Feldwegen, die während der Regenzeit nur schwer befahrbar sind. Den Lkw und Bussen, die auf diesen Wegen unterwegs sind, stehen abenteuerliche Zeiten bevor und der genaue Zeitpunkt der Rückkehr ist ungewiss. Die Distanzen werden daher nicht in Kilometern, sondern in Tagen auf der Straße berechnet. Wir sind hier in einem der ärmsten Länder der Welt, in dem fast ein Viertel der Einwohner unterhalb der Armutsschwelle lebt. Eine kommunistische Regierung, eine liberalisierte Wirtschaft, die unter der Korruption leidet, eine abgeschottete geografische Lage, drei mächtige Nachbarn (China, Thailand, Vietnam) und eine allgemeine Apathie stellen zahlreiche Hindernisse für die Entwicklung des Landes dar.
Souphanh, der um die vierzig Jahre alt ist, war schon immer Lkw-Fahrer. Nach der Schulzeit hat er seinen Vater begleitet, der damals schon einen Lkw auf den Straßen von Laos fuhr. Als sein Vater verstarb, übernahm er ganz selbstverständlich dessen Platz. In armen Ländern gibt es kaum die Möglichkeit, sich seinen Beruf auszusuchen. Als Eigentümer des Isuzu zählt er zu den wenigen privilegierten Laoten, die auf eigene Rechnung arbeiten.
Die weitaus meisten Fahrer hier arbeiten für Unternehmen im Eigentum von Chinesen oder reicher Geschäftsleute aus Vientiane. Die Laoten sind für eine legendäre Trägheit bekannt. Gab es nicht während der französischen Kolonialzeit diesen Spruch? "Der Kambodschaner pflanzt den Reis, der Vietnamese erntet ihn und der Laote ... hört ihm beim Wachsen zu." Entlang der Straßen sind nur Leute zu sehen, die sich gemütlich hingelegt haben, Siesta halten und das Leben an sich vorbeiziehen lassen. Der Kommunismus hat daran nichts geändert. Dabei mangelt es Menschen wie Souphanh nicht an Arbeit: Transport von Lebensmitteln in kleine Dörfer, von Fertigwaren in die Hauptstadt und von Bierkästen entlang der ganzen Strecke.
DAS LAND LIEGT STRATEGISCH GÜNSTIG - FÜR DIE CHINESEN
Da der Straßenbau seit jeher einer der Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung ist, stellt sein Fehlen in Laos den klaren Beweis für die Armut des Landes dar. Aber die Situation änderte sich inzwischen. In dem lang gestreckten Land sind die Chinesen angekommen, mit einem klaren Ziel: den Süden Chinas mit Südostasien verbinden. Ein gigantisches Projekt, das die französischen Kolonialherren begonnen hatten, das aber angesichts der aufeinanderfolgenden Kriege im benachbarten Vietnam schnell in Vergessenheit geraten war.
Laos war das am stärksten bombardierte Land der gesamten Geschichte. Millionen von nicht explodierten Minen fordern weiterhin Opfer auf dem Land, und es ist immer noch sehr gefährlich, die Straße zu verlassen, und sei es nur, um kurz auf die Toilette zu gehen. Innerhalb weniger Jahre sorgte China für eine komfortabel befahrbare Straße von seiner Grenze bis nach Thailand und Kambodscha. "Jetzt erreiche ich die thailändische Grenze innerhalb eines Tages", berichtet Souphanh zufrieden. Das Projekt hat das Leben insbesondere für Fernfahrer revolutioniert. Täglich durchqueren Hunderte Lastwagen ausgeladen mit Waren aus chinesischer Produktion das Land. Sicherlich mit schlechter Qualität, aber zu konkurrenzlos günstigen Preisen.
Eine weitere Funktion hat Laos: Es ist Drehscheibe des Drogenhandels. Berühmt ist "Yaba" aus Myanmar, das bei den Fernfahrern aus Thailand und Malaysia zu finden ist. Die Droge, die verrückt macht, so der Spitzname dieser Pillen, versetzt Fahrer in die Lage, ganze Nächte ohne Schlaf durchzufahren. Abnehmer sind Nachtschwärmer aus der Oberschicht in Bangkok bis hin zu ausländischen Arbeitskräften in den Palmölplantagen von Malaysia. Die Pillen zum Herstellungspreis von 20 Cent werden für knapp zehn Dollar in Bangkok verkauft. Der erzielte Profit ist höher als bei Heroin.
CHINESISCHE FAHRER REISEN ALS FAMILIE
In der makellosen Kabine seines Lkw strahlt ein chinesischer Fahrer über das ganze Gesicht. Offensichtlich hat er gegen das Leben auf den gebirgigen Straßen in Laos nichts einzuwenden. Seine bezaubernde junge Frau sitzt neben ihm und kümmert sich sozusagen um den Haushalt: Sauberkeit des Lkw, Reinigung der Kleidung, Zubereitung von gesunden und preiswerten Mahlzeiten. Chinesische Ehefrauen haben einen Sinn fürs Praktische. Statt ihre Männer monatelang allein zu lassen, wo sie dann ihr Geld in-Restaurants ausgeben, Bier mit Kollegen trinken und Bordelle besuchen, reisen sie lieber mit. Manche Paare haben sogar gar keine eigene Wohnung mehr, sondern leben im Lkw. Sie sparen einige Jahre lang möglichst viel Geld, um anschließend eine neue Lebensphase zu beginnen. Im Allgemeinen tauschen sie dann das Lenkrad gegen einen Anzug, gründen ihre eigene Transportfirma und lassen andere für sich fahren.
Souphanh betrachtet diese chinesischen Fahrer mit ein wenig Neid und Bewunderung. Wie alle Laoten fühlt er sich von dieser Flutwelle überrollt, die auf ihrem Weg alles niederwalzt. "Die Chinesen haben wirklich vor nichts Angst", erzählt er und zeigt dabei auf einen Konvoi aus Sattelschleppern auf dem Weg nach Vientiane.
Brandneue Fahrzeuge, die den Lkw von Scania oder Volvo zum Verwechseln ähnlich sehen, aber exotische Namen wie CAMC, Sitrak oder auch Youngman tragen. Im Reich der Mitte sieht es für Kopien noch rosig aus. Die Technologie ist vorhanden, nur die Qualität hält nicht Schritt. Entscheidend ist aber nicht Haltbarkeit, sondern Fortschritt: Die Lkw werden einige Jahre lang hart beansprucht und schnell durch modernere ersetzt.
ZWEI INDOCHINA-KRIEGE, MILLIONEN OPFER
Eine lange Reihe von Soldaten erstreckt sich über mehr als einen Kilometer. Die jungen Rekruten mit ihren grünen Kopfbedeckungen und Uniformen haben bei ihrem schnellen Marsch durch ein Reisfeld keinen Blick für den alten französischen Kampfpanzer übrig, der am Ende der Piste des Flughafens von Dien Bien Phu immer weiter vor sich hin rostet.
Wir sind in Vietnam. Der typische Helm der "Bo Doi" genannten vietnamesischen Soldaten, die schlechten Leinenstiefel ... Aber ihr Schritt ist immer noch genauso federnd und schnell. Während sich Souphanh mit den Händen am Lenkrad seines Isuzu festklammert, wirft er mir spöttische Blicke zu. Der Sieg der Vietminh über die Elite der französischen Armee war das Totengeläut für eine fast einhundert Jahre lange Kolonisationsgeschichte. Ein einfaches Denkmal, das ein Ex-Fremdenlegionär aus Deutschland auf eigene Kosten errichten ließ, erinnert daran, dass Tausende von französischen, afrikanischen und arabischen Soldaten sowie ehemalige Wehrmacht-Angehörige ihr Leben in diesen Reisfeldern verloren haben - und geschätzt bis zu fünf Millionen Vietnamesen.
Hinter der Grenze zwischen Laos und Vietnam beginnt eine andere Welt mit ganz anderen Regeln. In Vietnam wächst die Wirtschaft mit voller Geschwindigkeit. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in einigen Jahren verdreifacht, das Land vermittelt den Eindruck, man wolle hart arbeiten, leben, konsumieren und endlich die verlorene Zeit aufholen. Aber Souphanh fühlt sich nicht wohl. Er wirkt verkrampft, da er nicht gern in Vietnam fährt. Die beiden Länder haben keine guten Beziehungen und die vietnamesische Polizei, in der es bereits eine besorgniserregende Korruption gibt, freut sich außerordentlich, sobald ein laotischer Fahrer hinter der Motorhaube zu sehen ist.
Souphanh kann es kaum erwarten, seine Last aus gefriergetrockneten Suppen zu beladen und die dreißig Kilometer entfernte Grenze wieder zu überqueren.Wir biegen in eine adrette Unterpräfektur, voller Denkmäler zum Ruhm von tapferen Kämpfern, ein. Es ist an der Zeit, Souphanh und seinen Lkw wieder seiner alltäglichen Routine zu überlassen. Ein letztes Bier, ein kräftiger Händedruck und schon ist er auf der neuen "alten Route der Franzosen" verschwunden, mit seiner Ladung aus Suppen, die für Luang Prabang bestimmt sind. Er wird sich wieder schier endlosen Wogen aus chinesischen Sattelschleppern gegenübersehen, die sich über sein Land ergießen. Claude Barutel