Ich liebe meinen Job - das hätte ich nie gedacht. Das war so nie geplant." Manuela Walde sitzt am Steuer ihres MAN TGS 18.400, den sie liebevoll "Lotti" getauft hat. Sie ist auf dem Weg nach Spelle im Emsland zum ersten Kunden des noch frühen Tages. Draußen wird es nur langsam hell. Dass sie einmal mit Lkw-Fahren ihr Geld verdienen würde, hätte sich die 29-Jährige noch vor wenigen Jahren nicht vorstellen können. Aber unverhofft kommt bekanntlich oft.
Manuela war auf dem Weg zum Abitur, anschließend wollte sie Tiermedizin studieren. Doch mehrere Schicksalsschläge in der Familie lenkten die Abiturientin von der Schule ab, die Zulassung zum Abi wurde ihr letztlich nicht gewährt. Also begann Manuela zunächst eine Ausbildung in der Krankenpflege. "Das kommt der Medizin am nächsten", so dachte sie damals. Aber schon während der Ausbildung merkte sie, dass dieser Beruf nicht der richtige für sie war.
Abbrechen kam dennoch nicht infrage. Manuela zog die Ausbildung durch - und suchte parallel nach einer Alternative. Die fand sie schließlich eher zufällig über ihren heutigen Ehemann Thomas, der damals als Fahrlehrer arbeitete und Lkw-Fahrer ausbildete. "Das hat mein Interesse am Lkw-Fahren geweckt", erzählt Manuela. Kurzerhand nahm sie einen Kredit auf, machte Führerschein und Berufskraftfahrer-Qualifikation auf eigene Kosten. "Etwa 6000 Euro hat mich das zusammen gekostet", sagt sie.
BEWERBUNGEN ALS LKW- FAHRERIN OHNE ERFAHRUNG
Nachts arbeitete Manuela weiter als Krankenpflegerin, tagsüber war sie in der Fahrschule. In ruhigen Minuten während der Nachtschicht schrieb sie Bewerbungen - "noch ohne bestandene Theorie- oder Praxisprüfung, sogar ohne Fahrstunden", erzählt sie. Bei Gerdes + Landwehr in Sulingen bekam Manuela trotzdem eine Chance. Sie durfte sich noch ohne Führerschein vorstellen - und wurde eingestellt. "Dass ich mich in meinem Job so wohlfühle, hat viel mit der Firma zu tun", meint sie, "und mit den vielen lieben Kollegen."
So freut sich die Fahrerin, als sie beim ersten Stopp des Tages auf ihren Kollegen Fritz Ehlers trifft. Beim Rekers Betonwerk in Spelle liefert Manuela den vor dem Wochenende geladenen Zement ab. Das Ausblasen des Silos dauert etwa 40 Minuten. Genügend Zeit, um mit Fritz ein wenig zu quatschen. "Es kommt leider nicht oft vor, dass man unterwegs Kollegen trifft", bedauert Manuela. Während die beiden sich unterhalten, behält sie ihr Silo und den Schlauch, durch den der trockene Zement hinausgepustet wird, stets im Auge. An den Ventilen überprüft sie, ob der Druck stimmt, mit dem Gummihammer klopft sie das Silo ab.
SELBST IST DIE FRAU: HIER IST ANPACKEN GEFORDERT
Fuß und Ohr werden beim Ausblasen zu wichtigen Messinstrumenten. "Ein Fahrer kennt sein Silo", erklärt die 29-Jährige. "Man hört, wenn es fast leer ist, und mit dem Fuß am Schlauch spürt man, ob noch Zement durchrauscht." Der komplette Entladevorgang muss überwacht werden, bei Wind und Wetter, auch bei strömendem Regen - so wie heute. Nach einer knappen Dreiviertelstunde ist das Silo leer. Manuela schraubt den Schlauch ab und macht den Auflieger für die Weiterfahrt bereit. "Angst, sich dreckig zu machen, darf man in diesem Job nicht haben", sagt sie, während sie sich den Zementstaub von der Kleidung klopft und der Regen in Rinnsalen von ihrem Schutzhelm läuft. Auch beim zweiten Stopp des Tages, einem Kalkwerk in Lengerich, ist Selbstanpacken gefragt. Mit geöffnetem Silo muss Manuela genau unter den Rüssel des großen Kalkwerk-Silos fahren, um ihn anschließend mit Schaltern und dem richtigen Augenmaß genau in die Öffnung zu manövrieren. Im zweiten Anlauf klappt es und mit knapp 29 Tonnen Zement machen sich Manuela und Lotti auf den Weg zum letzten Kunden der Tour.
DER JOB ALS FAHRERIN MACHT MANUELA GLÜCKLICH
Bei Gerdes + Landwehr ist Manuela eine von vier Fahrerinnen. Von einem "Frauenbonus" will die 1,58-Frau nichts wissen. "Klar, man bekommt als Frau ab und zu einen blöden Spruch oder auch öfter mal Hilfe angeboten", erzählt sie. "Aber ich sag dann: 'Danke, das schaffe ich sonst auch allein!'"
Das beweist sie beim nächsten Stopp, einer Baustofffirma in Elmstek. Dort ist die 29-Jährige heute zum ersten Mal. Aber ganz nach dem Motto "Selbst ist die Frau" findet sich Manuela schnell zurecht und fährt zum Ausblasen ans Silo. Auch hier klappt die Entladung nach wenigen Problemen mit dem Schlauchanschluss - "Wer baut denn so einen Mist?!" - und Manuela kann die Heimfahrt antreten.
Als sie zurück auf dem Hof der Firma Gerdes + Landwehr ist, wird es draußen langsam dunkel. Trotzdem nimmt sich die Fahrerin die Zeit, ihre Lotti in der Waschhalle vom Dreck des Tages zu befreien. "Meine Mutter schimpft manchmal, dass sie mich nur noch so selten sieht", erzählt sie. Dennoch stehen ihre Freunde und Familie voll hinter ihr, aus gutem Grund: "Wer noch nie den falschen Job hatte, weiß nicht, wie glücklich man ist, wenn man endlich den richtigen gefunden hat - so wie ich."
Die 29-Jährige würde sich wünschen, dass sich mehr Frauen trauen, Lkw zu fahren. "Das würde diese ganze Männerdomäne auflockern", meint Manuela. "Wir können schließlich viel mehr, als nur hinterm Herd stehen!" Dann sagt sie ihrem Lkw "Gute Nacht!" - "Wie jeden Abend" - und geht auf einen kurzen Feierabendplausch zu den Kollegen in die Dispo.