Manche Leute gehen golfen und verbrauchen dafür ein Vermögen, ich habe halt meine Trucks." So einfach ist das für den Finnen Juha Ristimaa, mehr muss man seiner Ansicht nach nicht sagen, um seine Leidenschaft für schöne Laster zu erklären.
Keine Frage: Der Golfsport mag für andere das Allerhöchste sein - wir jedenfalls finden das Hobby des finnischen Transportunternehmers wesentlich interessanter. Deshalb war Juha, der sich in seiner Heimat eine Art Wettstreit mit dem ebenso lasterverrückten Silotransporteur Mika Auvinen liefert, in der Vergangenheit schon mehrmals im TRUCKER vertreten. Das liegt aber auch einfach daran, dass es in Europa nicht allzuviele Showtrucks gibt, die sich mit den Schmuckstücken aus Finnlands Westen messen können.
Übrigens: Auvinen bastelt gerade wieder an einem neuen Truck. Man darf gespannt sein, mit welchen Motiven und Features er diesmal aufwarten wird, um im Dauerduell mit seinem Landsmann bestehen zu können.
MIT AIRBRUSH GESTALTETE TATTOOS AUF DEM TRUCK
Das aktuelle Topmodell im Stall von Ristimaa ist ein Scania-R560-Gliederzug, der sich um die Pop-Sirene Madonna dreht. Das Phantastische dabei: Der bereits preisgekrönte Truck wirkt schlicht und opulent zugleich. Was daran liegt, dass sich der Unternehmer und sein Airbrusher Perttu Papunen beim Design auf wenige Madonna-Bilder beschränkt haben, wobei ein finnischer 25-Meter-Zug eine ordentliche Fläche bietet. Andererseits hat Papunen die Namen der Künstlerin und seines Auftraggebers nach Art der Tattoo-Tribals verfremdet und riesengroß auf den fünfachsigen Hänger gesprüht. Im vergangenen Jahr belegte Juha Ristimaa mit dem Zug auf seinem Festival in Härma den ersten Platz. Doch da war sozusagen der Lack noch gar nicht richtig trocken.
EIN UNAUFFÄLLIGER TRUCK WÄRE NICHT JUHAS SACHE
Richtig perfektioniert wird das Gespann erst jetzt. Daher steht der dreiachsige Maschinenwagen in Juhas Halle und sieht aus wie ein Topmodel, das versehentlich durch eine Autowaschanlage gescheucht wurde. Schleifstaub hat sich über Madonna gelegt wie ein verwaschenes Make up, Radabdeckungen stehen im Raum und warten darauf, ebenfalls poliert zu werden. Die halbrunden Dinger waren bislang nur weiß, jetzt hat Papunen die Abdeckungen mit kleinen Madonna-Portraits aufgehübscht.
Fast das Gleiche passiert mit den Seitenblenden des Trailers. "Da haben wir letztes Jahr in der Eile nur Folien mit den Logos der Sponsoren draufgeklebt," erklärt Juha Ristimaa. Das Provisorium wird jetzt durch Tribals und weitere Portraits des Popstars ersetzt.
Mit einem unauffälligen weißen Truck durch Finnland zu fahren, ist Juhas Sache natürlich nicht. Daher hat er sich zwischenzeitlich einen "Working Truck" zugelegt, der für seine Verhältnisse fast bescheiden ist - und um den ihn vermutlich trotzdem viele Kollegen beneiden. Sein Airbrusher beherrscht nämlich nicht nur die Arbeit mit der Spritzpistole: Als Alternative können seine Kunden auch eine Folienbeklebung wählen, was beispielsweise dann Vorteile bringt, wenn der Laster einmal einen Kratzer abbekommt. Oder wenn man ein vorhandenes Design ganz oder teilweise auf einen neuen Zug übertragen will. Bei Juha war es so, dass der neu erstandene Volvo unbedingt zum vorhandenen Trailer passen sollte - also kam die verrückte finnische Biene noch einmal zu Ehren, die das Duo vor einiger Zeit kreiert hat (TRUCKER-Leser kennen den Zug aus der Ausgabe 4/2011). Das Ganze ist eine Mischung aus Folienbeklebung und Lackierung. Dazu hat sich Juha noch einige Teile gegönnt, die einfach sein müssen. Die Lichtbatterie oben auf der Hütte gehört in Finnland ohnehin dazu, mit dem Bullenfänger und den Verzierungen an den Spiegeln macht der Schwedentruck richtig was her.
SCHRECKLICHER UNFALL EINES DER SHOWTRUCKS
Dass die Finnen ein etwas ungewöhnliches Volk am nördlichen Rand von Europa sind, ist ja inzwischen auch keine ganz neue Tatsache mehr. Dazu passt die schaurige Geschichte, die Juhas Airbrusher bei unserem Besuch erzählt: In Finnland kommt es immer häufiger vor, dass sich Menschen, die mit ihrer Schwermut oder Einsamkeit nicht mehr fertig werden, vor einen Lastwagen werfen. Genau das ist kürzlich einem Fahrer des Transportunternehmers passiert, als er mit einem der alten Schmuckstücke unterwegs war. Ausgerechnet das Gespann mit der Hommage an den Mantel- und Degenfilm "Zorro" suchte sich der lebensmüde Finne für sein Finale aus und sprang vor den Lastwagen, dessen Fahrer natürlich keine Chance hatte, rechtzeitig zu reagieren, um den Zug zum Stehen zu bringen.
RISTIMAA GENÜGT DIE ALTE GEWICHTSGRENZE
Der "Bienen-Volvo" ist übrigens noch ein Zug, der in der "alten" Konfiguration läuft. In Finnland wurden vor einigen Monaten die Gewichtsregelungen modifiziert. Die bisherigen 60-Tonnen-Gespanne dürfen seitdem mit einem Gesamtgewicht von 64 Tonnen unterwegs sein. Und für neunachsige Züge gilt sogar ein Limit von sagenhaften 76 Tonnen. Was Juha Ristimaa aber skeptisch sieht: "In dem Fall müssen die fünf Achsen des Hängers durchgehend zwillingsbereift sein, da hat man also zwanzig Räder zu ziehen. Beim Dieselverbrauch macht sich das sicher gewaltig bemerkbar. Außerdem sind die Unterhaltskosten höher, ob man das auf Dauer über die Frachtraten reinholt, ist fraglich. In meinem Geschäft komme ich mit den 64 Tonnen gut zurecht."
Na ja - vielleicht überlegt es sich Ristimaa eines Tages doch anders. Denn das höhere Limit könnte er ja auch dazu nutzen, am nächsten Showtruck noch mehr Gimmicks anzuschrauben. Aber dann müsste er vermutlich zuvor einen reichen Golfer finden, der ihm das kostspielige Hobby finanziert.