Hätte mir vor neun Jahren jemand gesagt, dass ich mal hinterm Steuer eines Tiertransporters sitzen würde, den hätte ich für verrückt erklärt!" lacht Daniela Winkler und wirft einen Blick rüber zum purpurroten Actros ihres Lebensgefährten Erwin Maier. Damals hatte sie Erwin gerade kennengelernt und Tiertransporteure waren für sie Tierquäler. Diesen Eindruck hatte die energische Frau durch Medienberichte über Missstände in der Tiertransportbranche gewonnen. Nachdem sie ihn aber auf Touren mit Nutz- und Schlachtvieh durch Deutschland begleitet hatte, veränderte sich ihre Haltung. Wann immer es ihr Beruf als Einzelhandelskauffrau erlaubt, sitzt sie nun selbst hinterm Steuer - den Schein hat sie seit drei Jahren.
Als Tierschützerin sieht sie sich weiter und hat griffige Argumente. "So lange Fleisch gegessen wird, müssen Tiere zu Mästern und zum Schlachthof gebracht werden. Das erledigen wir ganz nach den Tierschutzbestimmungen für Lebendviehtransporte und mit viel Verantwortungsgefühl! Zu verstecken brauchen wir uns nicht, nur weil es in der Branche ein paar schwarze Schafe gibt", meint Daniela selbstbewusst. "Und wenn ich sehe, dass Tiere mal zu hart angepackt werden, dann sag' ich meine Meinung!"
Ihr Selbstbewusstsein spiegelt sich auch in dem Mercedes Truck wieder, der auf dem Firmenhof von Erwins Vater, Karl Anton Maier, im schwäbischen Krauchenwies steht. "Mit unserem neuesten 2555er haben wir uns einen Traum verwirklicht!" erklärt Erwin Maier, bei den meisten Modifikationen selbst aktiv, stolz. Der Hersteller Finkl ließ ihn auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten ans Fahrzeug.
RAFFINIERTE TECHNIK: KLAPPBARE LICHTLEISTE
So konnte der eingefleischte V8-Fan einen der letzten Achter von Mercedes nach seinen Ideen gestalten. Selbstbewusste Ansage: dem skandinavischen Greif Paroli bieten.
Ein echter Hingucker und eine technische Meisterleistung sind die tief angebrachten Lichtleisten an den Seiten von Zugfahrzeug und Anhänger, bei Hängerzügen eine echte Novität. Denn wegen des langen Radstandes laufen die Anbauten, die nur knapp zwanzig Zentimeter über dem Asphalt schweben, permanent Gefahr, Unebenheiten zum Opfer zu fallen. Deswegen kann Erwin Maier die Leisten per Knopfdruck vom Fahrersitz aus nach innen klappen, wenn er Ungemach erblickt. Das hydropneumatische System hat er mit Finkl extra für seinen Truck realisiert.
Um die tiefe Linie an der Fahrerkabine fortzuführen, wurden passende Bleche unter die Kotflügel von Spatz und an die Einstiege geschraubt. Im Zubehörhandel gibt es so etwas nicht. Weil die kleinen Aluprofile aber nicht klappbar sind, haben die vorderen schon Kratzer. Das ist den schwierigen Zufahrten zu den Höfen von Schäfern geschuldet, die ebenfalls zu Kunden der Firma Maier gehören.
Auch die Frontpartie trägt Maiers Handschrift: Hier hat er statt dem grobschlächtigen Rampenspiegel eine Kamera einbauen lassen. Zusammen mit Rückfahrkameras am Heck von Zugfahrzeug und Anhänger sorgt das für den perfekten Rundumblick. Beim Rangieren auf kleinen Höfen oder an die Rampen im Schlachthof ist das ein immenses Sicherheitsplus. Selbst beim Fahrgestell ging Erwin mit seinem Actros ungewöhnliche Wege. Um für engste Hofeinfahrten und schwierige Wendemanöver gewappnet zu sein, hat man eine aktiv gelenkte Liftachse eingebaut. So kann Erwin den Anhänger auch zu kleinsten Bauernhöfen mitnehmen, die andere nur mit Zugfahrzeug erreichen würden. Das erhöht zwar das Gewicht auf 22 Tonnen, vermeidet aber Ärger mit der Ordnungsmacht. Denn beladene Tiertransportanhänger dürfen nicht ohne Betreuer abgestellt werden.
FEINER INNENAUSBAU AM AUTOHOF IN BERG
Nur beim Sound trauert Erwin Maier seinem alten Benz nach, einem 540er. Denn einfach eine Klappe in den Auspufftrakt setzen wie beim Vorgänger, geht beim Neuen nicht mehr. "Damit würde ich das Motormanagement aufs Spiel setzen," erklärter er, weil der V8 dann neben sattem Sound auch Unmengen an Rauch aus dem Auspuff jagen würde." Grund dafür ist das Adblue, das durch die Schallumleitung nicht mehr vollständig verbrannt wird.
Bleibt die Kabine. Die durften die Leute vom Autohof Berg aufpeppen. Allerdings hat Erwin, um die Umbaukosten im Rahmen zu halten, die Teile selbst ausgebaut, nach Berg geliefert und danach wieder montiert.
Als Hommage versteht Erwin die riesigen Mercedes-Logos, die den LKW allseits zieren. Vielleicht wurzelt sein Stern-Faible darin, dass er seine Mechanikerlehre "beim Daimler" absolvierte - das prägt.
TRADITION: DER OPA GRÜNDETE DIE FIRMA
Dezent, aber reich an Details sind die zwei Bilder mit Szenen aus der Maierschen Firmengeschichte, die Finkls bester Lackierer dann auf die Seitenverkleidungen des Zugfahrzeuges gesprayt hat. Links Opa Zacharias, der das Unternehmen kurz nach dem Krieg gegründet hat und rechts der aktuelle Fuhrpark, der von Vater Karl Anton, Bruder Peter, Schwager Andreas und natürlich Erwin Maier bewegt wird. Alles Mercedes, alle bärenstark und natürlich alle V8. Wie es bei der nächsten Fahrzeuggeneration nach dem Ende des V8 weitergeht, steht buchstäblich in den Sternen.
Aktuell gibt es aber wichtigere Dinge, über die sich Erwin und Daniela Gedanken machen: Etwa den Generationenwechsel, der bei den Maiers ins Haus steht. Vater Maier wird bald 65. Dann steht Erwin in der Pflicht. Keine geringe - auch in der Viehtransportbranche sind die Zeiten härter geworden.
Egal, jetzt erfreuen sich Erwin und Daniela erst mal am neuen LKW. Wobei Daniela eine leise Wehmut beschleicht, dass ihre Tage im prächtigen neuen Benz schon wieder gezählt sind: Mit ihrem Babybäuchlein passt sie kaum mehr hinters Steuer. Aber sobald der Nachwuchs halbwegs transportabel ist, geht sie wieder mit ihrem Erwin auf Tiertransport-Tour durch Deutschland.