Sisu ist ein altfinnisches Wort mit vielen Bedeutungen. Stärke und Ausdauer sind eine Entsprechung, aber auch Zähigkeit. Inhalte, die sehr gut zu der immer noch unabhängigen finnischen LKW-Marke gleichen Namens passen. Sisu erlebte in den letzten Jahren viele Wechselbäder, behauptet sich aber trotzdem mit bewundernswerter Hartnäckigkeit.
Als Volvo vor einigen Jahren Renault Trucks stärker in den Konzern integrierte, mussten die Finnen wieder mal ihr Geschäftsmodell ändern: Seit Ende der Neunziger Jahre hatte Renault Premium-Kabinen geliefert, aus denen in Kajaa mit leichten Modifikationen Sisu-Hütten entstanden. Zudem bezogen die Nordeuropäer einige Mack-Motoren. Auch beim Vertrieb kooperierte man, Renault Trucks wurden in Finnland über das Sisu-Netz verbreitet. Diese Kooperation ist längst Geschichte.
Seit November 2010 arbeitet der Nischenanbieter mit dem Weltmarktführer zusammen: In der aktuellen "Polar"-Reihe verbaut Sisu Daimler-Kabinen, -Motoren und -Komponenten wie Bremsen und Elektrik. Die Getriebe kommen je optional von Daimler oder Fuller. Nur der Vertrieb scheint zu haken.
KÜNFTIG VERTREIBT SISU SEINE LKW WIEDER SELBST
Nachdem der finnische Daimler-Importeur Veho das Servicenetzwerk von Sisu übernahm, stockte der Verkauf der Polar-Trucks. Den Veho-Leuten war das Hemd - sprich die Daimler-Palette - offenbar näher als der Rock. Daher bauen die derzeitigen Eigentümer von Sisu, Olof and Maija Elenius (50%) sowie Timo Korhonen (50%) momentan ein eigenes Vertriebsnetz auf.
Zunächst nur in Finnland mit eigenen Angestellten und in Norwegen. Dort liegt auch der Schwerpunkt der Aktivitäten, die sich in diesem Jahr wieder auf die zivile Produktion verlagert haben, nachdem 2010 fast ausschließlich Militärfahrzeuge produziert wurden.
Korhonen ist überzeugt davon, dass die Kooperation mit Daimler ein genialer Schachzug war: "Nicht nur unsere Kunden, auch Fahrer, die seit Jahren auf anderen Produkten unterwegs sind, bestätigen uns, dass die Polar-Reihe das Beste ist, was Sisu je gebaut hat. Das ist kein Marketing-Blabla, wir sehen das auch an unseren Aufwendungen für Garantiefälle. Die gehen gegen Null."
DER POLAR RÄUMT AUCH UNBEFESTIGTE STRASSEN
Dass Sisu überhaupt noch existiert, liegt vor allem an Leuten wie Kaarlo Rundgren (siehe Seite 52) oder Erkki Ulkoniemi. Der 42-Jährige hat sich im vergangenen Herbst seinen ersten eigenen Truck gekauft - einen dunkelblauen Polar mit 551-PS-V8. Seine Präferenz für das einheimische Produkt erklärt er mit den positiven Erfahrungen, die er als angestellter Holztrucker mit der Marke gemacht hat.
Erkki bevorzugt die unsynchronisierte Fuller-Box: Er schaltet sie so geschmeidig, als hätte er nie etwas anderes gemacht. In den Wintermonaten montiert der Unternehmer aus Meltaus am Polarkreis einen Schneepflug vor seinen Polar, mit dem er für verschiedene Auftraggeber Winterdienste fährt.
Unter anderem für den staatlichen Holzkonzern Metsähallitus, der beispielsweise aus einem einsamen Waldstück bei Meltaus fünftausend Kubikmeter Stämme abtransportieren lässt. Dass das auf einer unbefestigten Straße passiert, fällt spätestens dann auf, wenn der gekrümmte Schneepflug, der die Zufahrt präparieren soll, nicht nur die weiße Pracht, sondern auch dicke Steinbrocken in den angrenzenden Wald schleudert. Normalerweise dauert der Winterdiensteinsatz von November bis April. "Manchmal haben wir sogar bis in den Mai Schnee," berichtet Erkki, der neben seinem Sisu noch drei Traktoren und einen Bagger einsetzt. Dass der Daimler-V8 angesichts der Kälte und der harten Arbeitsbedingungen Durst hat, ist für den Unternehmer kein Problem: "Als ich den neuen Truck in Karjaa abgeholt habe, verbrauchte er auf der Heimfahrt rund 26 Liter. Aber im Winterdiensteinsatz braucht er etwa sechzig Liter."
Wie lange er den Sisu fahren wird, weiß Ulkoniemi noch nicht: "Vielleicht zwanzig Jahre lang?" Was nicht ungewöhnlich wäre für ein Fahrzeug, das die Ausdauer auch im Namen führt.