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Scania Longline: Königliche Kutsche

24.06.2013 08:00 Uhr
Scania Longline: Königliche Kutsche
Ein Kunstwerk von einem LKW: der Scania Longline von Walter Fritz
© Foto: Felix Jacoby

Seinen Lastwagentraum hat der steirische Spediteur Walter Fritz Wirklichkeit werden lassen: einen Scania Longline. TRUCKER war mit auf Jungfernfahrt.

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Vor fast zehn Jahren stellte Scania der Öffentlichkeit ein neuartiges Lastwagenkonzept vor, den "Longline". Dessen Reiz: Die Fernverkehrskabine war um 1,3 Meter verlängert, was dem Fahrer einen bis dahin unvorstellbar großen Lebensraum eröffnete.

Den schwedischen Entwicklern war klar, dass diese Idee aufgrund der Gesetze in Europa nie große Stückzahlen und Gewinne bringen würde. Deswegen sprach man zwar bei der Premiere vollmundig von Serienfertigung, doch die belief sich auf gerade mal 25 Stück.

Die Amerikaner sind da schlauer und begrenzen gesetzlich nur die Länge des Aufliegers, nicht die Gesamtlänge. So sind großräumige Kabinen möglich. Trotz der lobenswerten Initiative von Scania, die zeigt, wie ein menschenwürdiges Dasein im Fernverkehr aussehen könnte, muss sich die Masse europäischer Langstreckenfahrer weiter mit engen Wohnwürfeln begnügen.

Doch die Idee lebt weiter, und so gibt es neben den Longline-Originalen sogar Nachbauten. So etwas bekommt man zum Beispiel in den Niederlanden, beim Fahrzeugbauer Ematra aus Barneveld. Der erfüllt Sonderwünsche und konstruiert Spezialitäten, die es ab Werk nicht gibt. Davon hörte Walter Fritz in der fernen Steiermark. Für den Transporteur aus Sinabelkirchen sind Lastwagen mehr als beliebige Betriebsmittel. Seine rund 70 Lastzüge mit Trocken- und Kühlkoffern beliefern österreichweit Lebensmittelfilialen. Der Firmenplatz östlich von Graz und die dazugehörige Flotte sind außerordentlich gepflegt. Das Betriebsklima ist überdurchschnittlich gut, was sich zum Beispiel in großen Firmenfeiern mit den Familien oder dem Angebot eines Fitnessraums für Mitarbeiter und ihre Partner manifestiert. Während unseres Hofrundgangs wird jeder Mitarbeiter freundlich begrüßt.

DER VATER STARTETE AUF SAURER "FRANKFURTER"

Der Vater Franz Fritz hatte das Transportgeschäft mit einem Saurer Typ "Frankfurter" begonnen. Walter Fritz, heute 56, übernahm das Geschäft mit 21 Jahren von der Mutter, damals mit zwei Kippern und einem Fernlastzug. Jahrelang fuhr er selbst in die Ferne, zunächst selbst mit einem Saurer. Dabei wurde er in den Bergen oft von wohlklingenden und starken Scania V8 überholt, und so kam es, dass sein erstes eigenes Neufahrzeug ein bulliger 142er wurde.

Als Praktiker optimiert Walter Fritz heute die Firmenkosten, indem er mindestens zweimal im Monat jeden einzelnen Reifen seiner LKW begutachtet. Dank seiner Erfahrung kann er exakt bestimmen, wann ein Wechsel vorzunehmen sind oder ob bei einem Fahrzeug die Achsgeometrie nicht korrekt eingestellt ist.

Dank seines Sohnes Christian, der sich vom Büro über die Werkstatt bis zum Fuhrpark mit eigenem Scania in der Firma engagiert, bleibt Walter Fritz mehr Zeit. Einen Teil davon widmet er der Tochter und ihrem Hobby Reitsport, er selbst freut sich über die Freiheit, öfter zu reisen. Aber er hegt auch alte Fahrzeuge, darunter seltene Scanias der Typen 140, 141 und 143. Jetzt wollte er sich einen Traum erfüllen, und so nahm das Projekt des steirischen Longline Gestalt an. Er kaufte eine norwegische Sattelzugmaschine des Typs R500. Erstens bietet die einen ewig langen Radstand, zweitens die Konfiguration mit zwillingsbereifter Nachlauf-Liftachse, mit der ein Scania nochmals nordischer wirkt.

Ematra bekam den LKW im Januar 2012. Von da an zogen sich die Umbauarbeiten fast zehn Monate hin. Walter Fritz spricht mit Respekt von der handwerklichen Präzision der Niederländer, die sich etwa in der feinen Fortsetzung der Fensterlinie über das Karosserieblech zeigt. Statt der beim Serien-Longline üblichen 1,3 ließ er das Fahrerhaus um 1,45 Meter verlängern.

Der nächste Schritt war die Arbeit des Nachbarn und Freundes, Tischlermeister Willibald, der mit seinen Söhnen Manfred und Reinhard eine eigenständige Inneneinrichtung entwarf. Dazu wurden sogar provisorisch Möbel aus Billigholz gebaut, um das Raumgefühl zu testen. Als das passte, entstanden in feinster Präzision Schränke aus geschwungenem und hochglanzpoliertem Vogelahorn. Der Vierertisch dahinter lässt sich mit wenigen Griffen zum Bett umbauen, darüber gibt's noch eine Klappkoje.

WENIGER IST MEHR: FRITZ VERZICHTET AUF CHROM

Auf einer Reise nach Italien bekam der Sattelschlepper bei Acito Inox eine Rahmenverkleidung und eine hochgezogene Auspuffanlage mit fetten 200er-Rohren. Weitgehend Verzicht übte Walter Fritz bei der Ausstattung mit Chromschmuck oder Leuchtmitteln, das entspricht nicht seinem Stilempfinden.

Der ursprüngliche Plan, sich das Innere der Kabine ebenfalls in Italien verschönern zu lassen, scheiterte nach drei Tagen an der Enttäuschung des Auftraggebers über die gebotene Qualität. Er stoppte die Arbeiten und entfernte später in tagelanger Arbeit die aufgebrachten Stoffe und Klebstoffrückstände. Für den nächsten Schritt war der Künstler Bernhard Vetta zuständig, der Entwurf und die Lackierung sollten genauso wenig alltäglich sein wie der ganze Truck. Um nicht die oft "bemühten" Standardmotive des Scania-Logos verwenden zu müssen, formte er aus Ton einen eigenen Raubvogelkopf, der zum Vorbild der Lackierung wurde. Über 400 Stunden dauerte es bis zur Fertigstellung des Gesamtbildes.

Für die Inneneinrichtung kamen nun zwei einheimische Spezialisten zum Einsatz. Bernhard Lagler und Christian Pillich beschäftigen sich sonst eher mit dem Auskleiden edler Sportwagen. In das Scania-Projekt brachten sie vollkommen eigenständige Ideen ein. Mit der so genannten Lisene-Technik wurden an den Innenwänden Reliefstrukturen geschaffen, die den Formen der Außenlackierung entsprechen.

Diese wurden mit weißem Stoff fein überzogen, selbst auf dem geschwungenen Armaturenträger finden sich die erhabenen Strukturen wieder. Und der von Bernhard Vetta entworfene Greif taucht sowohl auf der Unterseite der oberen Koje als auch gelasert in der Tischplatte wieder auf. Perfekt und dezent versteckt ist die Ausstattung mit hochwertiger Unterhaltungselektronik, Standklima, Kühlschrank und Mikrowelle.

Dieser Lastwagen wird nicht mehr hart arbeiten müssen. Walter Fritz bekam von seiner Frau sogar weiße Handschuhe geschenkt, um ihn zu fahren. Doch als Flaggschiff für die Flotte erfreut der majestätische Sattelschlepper Mitarbeiter und Truckfreunde. Und er hält die Erinnerung daran wach, was im Fernverkehr möglich wäre, wenn die Bürokratie nicht so starr an ihren begrenzten Vorstellungen festhalten würde.

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