Das Thema LKW schafft es normalerweise nur in die Schlagzeilen, wenn Unfälle passieren oder man einen Skandal in der oft als zwielichtig dargestellten Branche wittert. So auch beim Bayerischen Rundfunk, der kürzlich einen Beitrag über die Berufskraftfahrer-Qualifikation im bayerischen Erding sendete. Doch diesmal muss man den TV-Machern bescheinigen, dass es wirklich um einen befremdlichen Sachverhalt ging: Ein Ausbildungsunternehmen aus Aachen bot zweitägige Schulungen für 300 Euro an, die alle fünf Module des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) beinhalteten. Die dauern sonst fünf Tage à sieben Stunden ...
Statt wie erlaubt mit maximal 25 Berufskraftfahrern zu arbeiten, waren teils über 40 Mann im Raum. Man darf angesichts dieser Umstände durchaus eine gewisse kriminelle Energie, zumindest aber unlautere Gewinnmaximierung unterstellen. Denn so macht das Schulungsunternehmen, dem inzwischen die Geschäftstätigkeit untersagt wurde, an zwei Tagen einen Umsatz von mehr als 12.000 Euro!
Aufgekommen ist die Sache nur, weil ein Fahrer plauderte und damit einen seriösen Ausbilder auf den Plan rief, der die Machenschaften der Aachener "Kollegen" unter die Lupe nahm und publik machte. Dabei hat das Unternehmen dem Vernehmen nach gegen mehrere Punkte der Ausbildungsrichtlinie verstoßen: Neben viel zu vielen Teilnehmern und falsch deklarierten Bescheinigungen fanden die "Kurse" in einer Gaststätte statt. Solche Schulungsräume für die Berufskraftfahrer-Qualifikation müssen aber anerkannt sein. Zudem ist es nicht jedem Ausbildungsunternehmen aus NRW ohne Anerkennung der zuständigen bayerischen Behörde gestattet, in Erding zu schulen.
Bis zur Untersagung der Unterrichtstätigkeit vergingen trotzdem Wochen, weil sich niemand zuständig fühlte: Das Bundesverkehrsministerium verwies an die Länderbehörden - denn das BKrFQG ist Ländersache. Die dortigen Verkehrsbehörden fühlten sich nicht verantwortlich und verwiesen an die nach Landesrecht zuständige Behörde. Die hat aber gar nicht die personellen Kapazitäten zur Überwachung.
KEINER FÜHLTE SICH ZUSTÄNDIG
Als einer der Wenigen hat sich der Landesverband Bayerischer Fahrlehrer eingeschaltet und kommentiert den Vorfall kritisch: "Das kann so nicht akzeptiert werden", erklärt der Erste Vorsitzende, Walter Weißmann, im Beitrag des BR. Die Praxis der Fahrschule sei den Behörden seit Monaten bekannt: "Wir drängen seit geraumer Zeit darauf, dass etwas getan wird, aber es passiert nichts", moniert Weißmann. Was der Sache zusätzliche Brisanz verlieh - und zudem nahezu aufruft, unseriös zu arbeiten: Die ermittelnde Staatsanwaltschaft hatte nach erster Prüfung des Falls ihr Tun erst mal wieder eingestellt.
Doch es könnte durchaus sein, dass der geschilderte Fall nur die Spitze des Eisberges ist. Es werden auf deutschen Autohöfen munter Adressen ausgetauscht, wo es für 30 Euro Bescheinigungen zu kaufen gibt. Der TRUCKER-Redaktion sind mehrere Fälle bekannt, in denen Führerscheinbehörden sogar Kopien akzeptiert haben. Welche rechtlichen Folgen ein Betrug haben kann, lesen Sie auf der folgenden Seite.
BEHÖRDEN PRÜFEN NICHT RICHTIG
Zudem erfolgt - wie immer wieder Fahrer bekunden - keine Überprüfung, dass Module aus den verlangten drei Wissensgebieten vorgelegt werden. Chauffeure versichern glaubhaft, dass sie etwa drei Module für ökonomisches Fahren vorgelegt haben. Es sei nicht anders gegangen, weil sie immer nur anwesend waren, wenn genau dieses Modul geschult wurde. Nach dem Motto "Frechheit siegt" seien sie auf die Führerscheinstelle gegangen und hätten die 95 auch eingetragen bekommen. Ob es an mangelnder Kenntnis der Beamten oder nur an Gleichgültigkeit liegt, wäre zu ergründen. Auf jeden Fall werden die Bescheinigungen zwar abgelegt, aber dann interessiert sich niemand mehr dafür.
Dieser offensichtlich viel zu lasche Umgang mit den Urkunden öffnet Betrug Tür und Tor. Zudem fehlt es in der Praxis an wirksamen Kontrollen der Weiterbildungsbetriebe, wie auch oft der Dozenten, deren Qualifikation nur in den seltensten Fällen geprüft wird. Dem TRUCKER sind mehrere Fälle bekannt, wo seit fast vier Jahren geschult wird und es noch keine einzige Kontrolle durch die zuständige Behörde gab. Dabei würden seriöse Betriebe, die sich viel Mühe mit der Aus- und Weiterbildung der eigenen Dozenten machen und auch erhebliche Summen in vernünftige Schulungsunterlagen sowie Präsentationstechnik investieren, durchaus ein strengeres Vorgehen wünschen.
CE-Fahrlehrer Manfred Meier (Name von der Redaktion geändert) aus dem Westerwald fasst seinen Unmut zusammen: "Ich investiere jährlich in die Aktualisierung meiner Schulungspräsentationen. Zudem muss ich als seriöser Ausbilder zusätzliches Geld und Zeit in meine Weiterbildung, zum Beispiel den Besuch von Ladungssicherungskursen, sowie in einen eigenen LKW stecken. Daraus resultieren höhere Kursgebühren für die Teilnehmer der BKF-Weiterbildung - aber natürlich auch vernünftige Inhalte. Wir versuchen damit dem originären Wunsch des Gesetzgebers für mehr Sicherheit im Straßenverkehr nachzukommen. Wenn dann schwarze Schafe zur persönlichen Bereicherung das System unterlaufen und keiner etwas dagegen tut, fühlt man sich im Stich gelassen."
DAS SYSTEM KRANKT AN ZWEI STELLEN
Grundsätzlich krankt das System der Weiterbildung - da sind sich viele Dozenten einig - an zwei Kardinalfehlern: Erstens erlaubt der Gesetzgeber einen reinen Theorie-Unterricht. Zweitens genügt Anwesenheit bei der Maßnahme. Bei einem Modul wie "Schaltstelle Fahrer" kann man über Imagefilme, Präsentationen und Vorträge die erforderlichen Inhalte vermitteln. Geht es allerdings um ökonomisches Fahren, Ladungssicherung oder Fahrsicherheit, kann Schulbankdrücken nicht der richtige Weg sein. Viele Fahrer sitzen die meist Samstags abgehaltenen Schulungen nur ab - gestresst vom Job unter der Woche wird auch schon mal ein Nickerchen gemacht. Man weiß ja, dass am Ende der sieben Stunden in jedem Fall die Bescheinigung wartet.