Ein echter Schmuddelwetter-Samstag, es schneit und windet. Dennoch gibt Patrick Philippi aus Fraunberg sein Bestes, damit sein Actros samt Thermomulde wieder strahlt. Als der Zug trotz Frost und Kälte endlich sauber ist, freut sich der gelernte Lackierer. Bruder Thomas räumt inzwischen die Werkstatt auf, während sich der Senior seinem Hobby widmet: dem Modellbau.
Höhen und Tiefen hat das Trio einige erlebt, seit sich Vater Alois Philippi Mitte der Achtziger entschlossen hat, seinen Zeitsoldat-Vertrag nicht zu verlängern und stattdessen den Mercedes 1419 Autotransporter seines Schwiegervaters zu erwerben, um sein eigener Herr zu werden. "Mehrgleisig" wollte der damals frisch gebackene Kfz-Meister fahren - sich nicht nur auf einen Kunden festlegen, sondern neben dem Transport noch eine eigene Werkstatt betreiben. Und, nicht zu vergessen, auch noch als Kfz-Sachverständiger etwas dazuzuverdienen. Ende der Neunzigerjahre hatte sich der Spezialtransporteur dann mit Pünktlichkeit und wenigen Transportschäden einen Namen gemacht und gab seinen Sachverständigenstatus schließlich doch auf. Er war Gutachten, Akten, Amtsschimmel und Versicherungen leid.
Weitere Veränderungen kamen mit dem neuen Jahrtausend - und durch Sohn Patrick. Der war nach einigen Berufsjahren als Lackierer über Umwege zum CE-Schein und zum Transportwesen gekommen. Nach Erfahrungen mit verschiedensten Arbeitgebern stieg er zu Hause ein und setzte durch, dass der Vater einen ersten Sattelzug mit Containeraufbau anschaffte.
ALS DER AUTOTRANSPORT IN DIE KNIE GING, KAMEN CONTAINERTRANSPORTE
Durch sein letztes Arbeitsverhältnis hatte der damals 24-Jährige mitbekommen, dass dies mehr als nur eine Nische war. Als die Auftragslage für Autotransporte nach vielen guten Jahren in der Zeit nach der Abwrackprämie in die Knie ging, entschlossen sich die Philippis Ende 2010 zu einer Umorientierung. Zwei neue 460-PS-Zugmaschinen wurden angeschafft samt variablen Containerchassis von Broshuis aus Holland. Wenig später folgten ein Baustoffauflieger von Schwarzmüller und ein Kipper, denn Patricks Verbindungen zu Bau- und Schüttgut-Transporten sorgten für mehr Aufträge in diesem Bereich. 2014 wurde schließlich der Baustoffauflieger durch einen zweiten Kipper ersetzt und eine weitere Zugmaschine fürs Containergeschäft kam hinzu. "Die Thermomulde war die letzte große Anschaffung, speziell für Asphaltmischgut und seit vorletztem Jahr Vorschrift. Aber eine saubere Sache." Während Patrick und ein weiterer Fahrer auch Kies oder Schotter, manchmal auch lokalen Abraum transportieren, bleibt Firmenchef Alois dank befreundeter Speditionen, die ihn mit Containeraufträgen versorgen, eher auf "sauberen" Straßen. "Morgen geht's glei in der Früh wieder nach Plattling, Papier laden", erklärt der Bayer.
Doch der Bereich Spezialtransporte hat für die Philippis durchaus noch Berechtigung. "Unlängst war ich mit etlichen 26-Tonnen- Fuhren nach Gera unterwegs - alles belastete Erde. Das waren allein für mich mehr als 200 Tonnen", erklärt Patrick. Auch Asphaltlieferungen hätten manchmal ihren Reiz. "Klar, wenn sie ans Flugplatz-Rollfeld müssen und du dort Airbus, Tankwagen und mit Glück einen Jumbo aus nächster Nähe sehen kannst", schwärmt er.
Wegen seiner Leidenschaft für Schriften und Lack verschönerte das Familien-Trio die drei Actros nach eigenen Vorstellungen. Die Türen wurden mittels weiß-blauer Rauten bayerisch "beflaggt". Daneben lackierte Patrick alle Achsen blau und unterzog die korrosionsanfälligen Felgen einer Pulverbeschichtung. Für Individualität sorgen außerdem an allen drei Zugmaschinen Zusatzscheinwerfer und Dachreling. Für echten Glitzer - auch außerhalb der Weihnachtszeit - hatte Bruder Thomas, Kfz-Mechaniker mit einem Faible für elektronisches Zubehör, eine Idee: LEDs geben den Mercedes-Sternen im Kühlergrill extra Pep.
Autark sein heißt für die Philippis, ihren Fuhrpark selbst zu warten. Nach Auslaufen des Wartungsvertrages wird, soweit machbar, alles in der hauseigenen Werkstatt erledigt. Nachdem der Senior unerwartet wegen eines defekten Kupplungsausrücklagers liegen blieb, wurden prophylaktisch auch an den anderen beiden Fahrzeugen die Kupplungen erneuert. "Die Kipper werden viel höher belastet. Und da sie oft im Gelände und auf Baustellen fahren, haben wir mehr Verschleiß. Das war aber noch rechtzeitig, trotz der weit über 400 000 Kilometer, die unsere Maschinen runter hatten", meint Thomas. Der passionierte Schrauber kümmert sich an den Wochenenden um die Fuhrparkpflege bei den Philippis.
AUCH SCHWIERIGE REPARATUREN ERLEDIGT DAS TRIO SELBST
Unlängst mahnten mahlende Geräusche ein Problem an - nicht ganz im Sinne der Unfallvorschriften auf der Plattform stehend und sich auf sein Gehör verlassend, tippte Alois Philippi auf die Hinterachse. Er sollte Recht behalten: Beim Ölablassen kamen allerhand Metallspäne zum Vorschein. Das Ersatzdifferenzial wurde selbstredend in der eigenen Werkstatt eingebaut. "Für das Auslesen des Fehlerspeichers führt aber kein Weg am Hersteller vorbei. Zumindest um zu bestimmen, was tatsächlich defekt ist", erklärt Patrick. Zuletzt hatte es ihn beim Abladen an der Allianz-Arena erwischt: Der Gang ist immer wieder herausgesprungen. Ein defekter Kupplungsdruckgeber wurde diagnostiziert. Nach Rücksprache mit dem Vater und kurzen Telefonaten schafft es der Profi, den Actros trotz des Defekts in die Werkstatt eines Freundes zu chauffieren. "Im siebten Gang, bei Volldrehzahl mit etwa 40 km/h ..."
Derzeit laufen die drei Züge problemlos. Und es soll ein vierter angeschafft werden. "Freilich brauchen wir dann noch einen zusätzlichen Fahrer." Damit der ins Team passt, sollte er neben den nötigen Scheinen nicht nur Deutsch in Wort und Schrift können, sondern auch materialschonendes Fahren drauf haben und eine Prise Humor mitbringen. "So ab und zu an losen Spruch, den dan mer hald scho loslassen", grinst der Seniorchef schelmisch. Dann präsentiert er sein Hobby. Während die Söhne auf urige V8-Kracher stehen, baut er filigrane Minitrucks. US-Kennzeichen, Motorenteile und auch Opel-Devotionalien hängen an den Wänden der Werkstatt. In einer Ecke liegen - einbaufertig - weiße, frisch pulverbeschichtete Felgen für den Camaro-Dragster.
MODELLBAU UND EIN DRAGSTER SORGEN FÜR ZEITVERTREIB
Auch in der Freizeit bleiben die drei Fraunberger immer in Bewegung. Patrick, Jahrgang 1977, hat seit seiner Teenagerzeit regelmäßig an Kartrennen teilgenommen. Vor einigen Jahren war er als Zuschauer beim Dragsterrennen am Landsberger Flughafen. "Ich war sofort unheilbar infiziert und wollte da mitmischen." Zusammen mit seinem "Spezl" Sebastian Poller wurde ein geeignetes Objekt gesucht und gefunden: ein Chevrolet Camaro, Baujahr 1978, der erst mal komplett gestrippt und umgebaut wurde. Als frischgebackene Mitglieder des Bavarian Drag Race Clubs nutzten sie die heimische Werkstatt, um den US-Boliden wettbewerbsfähig zu bekommen und optisch zum Werbeträger aufzuhübschen. "Wir haben viel geflext, geschweißt, den Tank isoliert, einen Käfig eingebaut und den Motor auf 6,4 Liter Hubraum vergrößert. Sogar auf Lachgas ist der V8 inzwischen vorbereitet", meint Patrick, gesteht aber: "Gewonnen haben wir bislang nix. Dazu liegen unsere Viertelmeilenzeiten noch eher im Mittelfeld. Aber das wird schon noch. Der Spaß bei den Events ist einfach nicht zu toppen." Gerfried Vogt