Mehr als 40 Prozent sind nicht drin, wenn Gäste an Bord sind, erwarte also nicht zu viel!" Mit diesen vorbauenden Worten empfängt mich Iveco-Werksfahrer Martin Vogel im "Torpedo". Ein passender Name für den Rallye-Boliden, mit dem Gerard de Rooy zum Sieg in der LKW-Wertung auf der Dakar 2012 fuhr. Dafür, dass es angeblich eine Spazierfahrt werden soll, kontrolliert Martin aber peinlich genau, ob mich die Sechspunkt-Hosenträgergurte fest in meinem Schalensitz "fixieren". Erst dann drückt er den Startknopf und der Cursor 13 erwacht zum Leben. Schon im Leerlauf ist der Lärm in der nackten Stralis-Kabine ohrenbetäubend - erstaunlich, was aus dem sonst so harmlos säuselnden Sechszylinder werden kann, wenn er denn darf ...
Den größten Anteil am Sound liefert die spezielle Rallye-Abgasanlage, ansonsten blieb der Cursor 13 erstaunlich seriennah. Der Turbolader beatmet mit höherem Luftdurchsatz, die Einspritzanlage wurde geändert und das Drehzahlniveau erhöht.
Umso beeindruckender, was am Ende herauskam. Leistung? Wohl um die 840 PS. "Genau weiß das keiner, für einen Prüfstandslauf war bislang keine Zeit", schreit Martin, während er über den schlotternden Schalthebel die dritte Fahrstufe des unverändert übernommenen ZF-16-Gang-Getriebes einlegt, den Wüsten-Koloss auf die Iveco-Offroad-Teststrecke lenkt und dann das Gaspedal ans Bodenblech nagelt.
3600 NM FÜR NUR NEUN TONNEN KAMPFGEWICHT
Die grobstolligen Michelin-Geländeschlappen finden auf der Schotterpiste kaum Halt. Schließlich katapultieren bereits ab 1200 Umdrehungen 3600 Nm die "nur" neun Tonnen Kampfgewicht gnadenlos nach vorne. Die Geräuschkulisse ist mit infernalisch eher verharmlosend beschrieben. Und gerät dennoch in den Hintergrund angesichts der tief ausgefahrenen Spurrillen, die den Weg kreuzen. Martins Fahrstrategie? Gnadenlos drüber! Es scheppert, knallt und vibriert - ein Wunder, dass nicht sämtliche Instrumente aus dem Armaturenträger fallen.
Scharfe Linkskurve voraus! Doch mein "Pilot" schaltet nochmal rauf und bleibt stur auf dem Gas. Das kann unmöglich gut gehen! Plötzlicher Wechsel auf die Bremse, die großen 43er-Knorr-Scheibenstopper verzögern vehement. Einlenken, warten bis das Heck kommt, Vollgas, Drift! Faustgroße Steine knallen an Unterboden und Radläufe. Der Torpedo hinterlässt einen ansehnlichen Flurschaden auf dem Testgelände, während wir über ein einigermaßen ebenes Wiesenstück jagen. Kurze Erholung und das sprichwörtliche "Kleine-Jungen-Grinsen" im Gesicht. Das aber, in Anbetracht des ausgewachsenen Erdwalls, auf den wir jetzt zusteuern, Skepsis bis Panik weicht. Denn wir sind gefühlt wieder mal viel zu schnell unterwegs. Zumal die "Durchfahrt" zwischen den Bäumen äußerst eng wirkt. Schon fliegt die Haube gen Himmel, die Sisu-Achsen verlieren auf der Kuppe kurz den Bodenkontakt, wir fallen auf der andere Seite hinunter. Wie ich später erfahre, kommt dem Torpedo hier sein Haubenkonzept zu Gute, das für eine Gewichtsverteilung von 50:50 sorgt. Anders als Frontlenker-Rallye-Trucks, die bei solchen Manövern zwangsläufig nach vorne kippen, bietet der Hauber bessere "Flugeigenschaften" und landet fast waagerecht.
BELASTUNG FÜR RÜCKGRAT UND BANDSCHEIBEN
Dennoch fällt der Aufprall hart aus, trotz des 40-Zentimeter-Federwegs der Donerre-Stoßdämpfer. Einen Großteil müssen meine Bandscheiben auffangen, während Martin den Truck bereits in eine scharfe Rechtskurve mit knöcheltiefen Querrillen wirft. Ein letztes Mal werden Kabine, Fahrer und Beifahrer durchgerüttelt. Als der 4x4-Iveco langsam ausrollt, frage ich mich ehrfürchtig, was für Bandscheiben Gerard de Rooy und seine Teamkollegen haben müssen, um diese Strapazen zwei Rallye-Wochen täglich durchzustehen? Zumal sich die Profis ja nicht mit schlappen 40 Prozent begnügen.