Selbst wenn du auf Hauptverkehrsstrecken unterwegs bist, solltest du immer wissen, wo gerade Kollegen sind, die dir bei Problemen helfen können!", zitiert Jakkie Marais ein ungeschriebenes Gesetz unter Fernfahrern im südlichen Afrika. Dabei kippt er Diesel aus einem Plastikkanister in den Tank seines Lastwagens. Gut, dass Jakkie Marais genau wusste, dass Kollege Leon Badenhurst nur ein paar Stunden hinter ihm war, als ihm auf der B1, Namibias wichtigster Nord-Süd-Tangente, der Sprit ausging. Weil er Leon im Rücken wusste, konnte er seinen Scania samt Interlink-Kombination einfach am Straßenrand ausrollen lassen und in Ruhe darauf warten, dass Leon ihn mit Treibstoff versorgt.
Trotzdem ärgerlich, dass es mit dem Tankmanagement auf seiner Tour von Capetown/Südafrika nach Windhoek in Namibia diesmal nicht perfekt geklappt hat. Um die Kosten zu drücken, hatte Jakkie in Capetown nur gerade so viel Treibstoff gebunkert, wie er meinte, für die 1400 Kilometer lange Strecke zu benötigen. Doch ein seltsamer Gegenwind am Rande der Kalahari, den er so noch nie erlebt hat, katapultierte den Kraftstoffverbrauch nach oben. Jetzt fehlen ihm vierzig Liter Diesel im Behälter, um die nächste Tankstelle in Keetmanshope, einem kleinen Nest am Rand der B1, zu erreichen. Den Treibstoff schlaucht er jetzt bei Leon ab, der mit randvollen Dieselreservoirs Richtung Angola unterwegs ist. Weil der Sprit nur endlos langsam in den 20-Liter-Kanister läuft, kostet die Aktion Leon viel Zeit. Aber Hilfestellung zu geben, ist hier noch selbstverständlich; selbst wenn Fahrer bei unterschiedlichen Unternehmen angestellt sind, wie Jakkie und Leon. Jakkie fährt für einen südafrikanischen Transporteur, Leon für More & More ganz oben im Norden Namibias. Die vierzig Liter Leihsprit gibt's irgendwann später zurück.
HILFESTELLUNG: HIER IST KOLLEGIALITÄT NOCH ÜBLICH
Hier kann sich jeder darauf verlassen, dass ihn keiner übers Ohr haut. Schließlich kommt mit Sicherheit irgendwann der Augenblick, da braucht man sich wieder. Vielleicht gehört hier unten deswegen Kollegialität noch zu den hochgehaltenen Werten unter den Fahrern! Vielleicht aber auch, weil die Transportuhren noch anders laufen, Fahrer noch mehr Zeit haben und es noch keinen digitalen Tacho mit viel zu engen Zeitfenstern gibt.
Eine halbe Stunde später ist Jakkie wieder unterwegs zum Ausladen nach Windhoek und Leon zieht weiter nach Luanda im Norden des Nachbarstaates Angola. Damit hat er noch gut 2400 Kilometer vor sich. Genau wie Jakkie hat er gestern in Capetown einen 40-Fuß-Container mit Coladosen übernommen. Die Container werden mit Schiffen angeliefert, und Fahrer wie Jakkie und Leon befördern sie dann nach Namibia, Angola, Botswana, Simbabwe, Sambia, Mosambique und sogar bis hoch in den Kongo.
Kapstadt - Luanda - Kapstadt, der 7200 Kilometer lange Rundlauf ist für den 44-jährigen Leon, der mit seinem Rangerhut aussieht wie Crocodile Dundee, die liebste Strecke in Afrika. Ganz einfach, weil er auf der 15-tägigen Tour zweimal ganz nahe an Tsumep im Norden Namibias vorbeikommt. Dort ist er zu Hause und kann dann endlich mal wieder im eigenen Bett schlafen. In Tsumep ist auch der Stammsitz der Spedition, für die Leon fährt. Das heißt, er kann dort auch gleich seinen alten 420er-Scania Topline wieder auf Vordermann bringen lassen. Der hat immerhin schon eine Million Kilometer auf dem Buckel und auf der letzten Tour einiges erleiden müssen. Erst vor ein paar Tagen haben sich aus heiterem Himmel zwei Räder an der Antriebsachse der Zugmaschine verabschiedet; eine gefährliche Situation auf dem schmalen Asphaltband, das so typisch ist für die so genannten Highways im südlichen Afrika. Da war Leons ganze Erfahrung von Nöten, die 50-Tonnen-Fuhre davor zu bewahren, in eine schmale Schlucht neben der Fahrbahn zu stürzen. Die beiden verlorenen Räder hatten vor seinen Augen genau diesen Weg nach unten genommen. Warum sich die Räder überhaupt lösen konnten, kann Leon sich nicht erklären. Schon sein Vater, der selbst Trucker war, hat ihm immer wieder erklärt, wie wichtig es ist, Radmuttern nachzuziehen und den Sitz regelmäßig zu prüfen. Daran hat sich Leon in seiner zwölfjährigen Fahrerkarriere nach eigenen Aussagen immer gehalten. Zur Schadensanalyse hat er ein paar von den verbogenen, abgerissenen Radbolzen aufgehoben, um sie später seinem Chef in Tsumep zu zeigen. Kurz darauf gab's gleich den nächsten Schaden. Diesmal explodierte ein Reifen am Trailer. Weil kein Ersatzrad mehr übrig war, fährt Leon seitdem mit einem Rad weniger am Anhänger.
Was in Europa undenkbar ist, nimmt man hier ziemlich cool. Es scheint auch niemanden zu stören, dass an Leons Trailer schon seit ewigen Zeiten eine Querstrebe weggeflext wurde, die Teile der Ladefläche stabilisiert. Warum die Traverse entfernt wurde, kann Leon nicht erklären. Er hat den Trailer schon vor langer Zeit so übernommen. Außerdem fehlen einige Radmuttern oder können nicht richtig festgezogen werden, weil das Gewinde zerstört wurde.
LUKRATIVER JOB: FAHRERS IND RELATIV GUT BEZAHLT
Improvisieren gehört im südlichen Afrika offensichtlich zum harten Handwerk eines Fernfahrers. Gerade kleine Transportunternehmen kämpfen hier, wie in Europa, ums Überleben. Das macht sich auch beim Material bemerkbar. Trotzdem verdienen Fahrer für namibische Verhältnisse mit umgerechnet 1000 bis 1200 Euro gutes Geld auf ihren internationalen Touren.
Welche Belastungen Räder und Reifen auf den Straßen Afrikas aushalten müssen, weiß auch Eben Dreyer aus leidvoller Erfahrung. Der 50-jährige namibische Chauffeur steht gerade bei einem der vielen Reifenhändler, die an den Highways ihre Dienste anbieten. Eben Dreyer ist erst heute morgen von den brutalen Straßen Angolas zurück nach Namibia gekommen und muss jetzt alle Reifen auf der Antriebsachse tauschen lassen. Die waren zwar schon vor Beginn der Tour nicht mehr wirklich neu, aber die kaputte Oberfläche auf den desaströsen Überlandstrecken im Nachbarstaat hat ihnen nun viel zu schnell den Rest gegeben. Gute Straßen mit einer ordentlichen, intakten Teerdecke gibt es dort eigentlich nur rund um die Hauptstadt Luanda. Den Rest der Verkehrsinfrastruktur hat noch immer der Bürgerkrieg auf dem Gewissen, der das Land bis 2002 über Jahrzehnte fest im Griff hatte.
Noch immer versperren heute riesige Schlaglöcher die Wege. LKW und PKW müssen deswegen oft Dutzende von Kilometern auf Pisten parallel zum kaputten Asphaltband zurücklegen. Erst kurz vor Luanda wird die Strecke dann tatsächlich nach europäischem Standard befahrbar. Die brutalen Bedingungen fordern ihren Tribut von Mann und Maschine. Eben Dreyer sieht müde und fertig aus, und den gleichen Eindruck vermittelt sein Truck. Obwohl der Scania noch nicht viele Kilometer gelaufen ist, prägen ihn viele Wunden: An allen Ecken und Enden ist die Elektrik nur halblebig geflickt, der Rahmen von Schrammen gezeichnet und der Aufstieg hinters Fahrerhaus nur notdürftig mit einem Spanngurt fixiert. Ein Zuckerschlecken ist das LKW-Fahren im Süden Afrikas also wirklich nicht.
MITTEN IM BUSCHLAND DREI STUNDEN IM SCHLAMMLOCH
Trotzdem können Fernverkehrsfahrzeuge hier richtig alt werden. Das beweisen Männer wie Danny Hoffmann. Der 30-Jährige ist ein paar Jahre selbst im internationalen Verkehr unterwegs gewesen und hat da Erfahrungen gesammelt, die ihm heute mit seiner eigenen Firma zu Gute kommen. Statt rüber nach Angola oder runter nach Südafrika zu fahren, sammelt er jetzt in Namibia mit alten Fernverkehrstrucks Holzkohle, die international gehandelt wird. Insgesamt fünf alte LKW vom 111er-Scania bis zum Peterbilt Baujahr '96 hat er billig zusammengekauft und schickt damit seine Fahrer zu oft winzigen Farmen, die heute noch köhlern. Auf den schwierigen Farmwegen müssen Fahrer und Fahrzeug dann oft zeigen, was sie wirklich können.
Wer es alleine nicht zum Kunden schafft, kann sich aber hundert Prozent auf die Unterstützung des Chefs verlassen. So wie Tonne Kobus, der mit der alten Peterbilt-Zugmaschine seit ein paar Stunden in einem Schlammloch festsitzt. Dreck wegschaufeln und Äste unterlegen hat diesmal nichts geholfen. Jetzt muss Danny kurz vor Einbruch der Nacht im namibischen Buschland noch Hilfestellung geben. Tonne hat Danny zum Glück direkt vom Schlammloch aus mit dem Handy erreicht. An anderen Tagen musste er schon mal ein paar Kilometer zu Fuß zurücklegen, um überhaupt Empfang zu bekommen.
Dann rückt Danny mit seinem Spezialfahrzeug an - einem schweren Chevy Blazer, Baujahr '89, Allradantrieb, mächtig Power und einer fetten Abschleppkette. Damit packt er es immer wieder, seine alten Fahrzeuge flott zu machen. Dass die dabei nicht geschont werden, sieht man ihnen an. Im südlichen Afrika ist LKW-Fahren halt nach wie vor ein Job für echte Trucks und harte Kerle.