Die französische Politik ist immer wieder für eine Überraschung gut. So können dort Bußgelder verhängt werden, wenn ein Fahrer seine regelmäßige Wochenruhezeit im Lkw verbringt. Wer erwischt wird, muss mit einer Strafe von 1500 Euro rechnen! Die Hälfte davon ist vor Ort zu bezahlen, ansonsten bleibt der Lkw stehen. Für den Unternehmer wird es noch teurer: Er kann mit bis zu 30.000 Euro oder sogar mit einem Jahr Haft belangt werden. Und nicht nur das: Die Kontrolle gilt als Arbeitszeit. Somit fängt die komplette Ruhezeit von vorne an ...
Die Industrie- und Handelskammer rät daher allen Fahrern, für die Wochenruhezeit ein Hotel oder Motel ansteuern. Zumal die französische Polizei in letzter Zeit strenger zu kontrollieren scheint, wie Speditionen berichten. Viele versuchen daher, ihre Fahrer am Wochenende zu Hause zu haben.
Eine neue Idee hatte unlängst die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Sie will Diesel-Autos aus der Hauptstadt verbannen - in der "Diesel-Nation" Frankreich ein gewagtes Unterfangen. Große Chancen auf eine Umsetzung der Idee hat sie nicht: Französische Lkw-Fahrer sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, ihre Rechte durchzusetzen oder unliebsame Gesetze abzubügeln. Sie parken Trucks quer und blockieren so Straßen und Industriegebiete. Gefürchtet sind auch die "operation escargot", das Schneckenfahren auf Autobahnen, die für kilometerlange Staus sorgen. Transitfahrer sind von solchen Blockaden aber selten betroffen. Meist konzentrieren sich die Streiks auf Straßen rund um Paris.
Die Streiks sind ein Ausdruck der Stärke der Gewerkschaften. Neben den großen Organisationen CFDT und CGT kümmern sich FO, CFTC und CFE-CGC um die Belange der Lkw-Fahrer. Nach harten Verhandlungen und tagelangem Stillstand im Land bekommen sie meist, was sie wollen.
KRAFTFAHRER VERDIENEN EIN WENIG MEHR ALS HIER
Im Oktober musste die französische Umweltministerin Ségolène Royal die geplante Lkw-Öko-Maut beerdigen. Zu groß waren die Proteste der französischen Transportverbände. Anfang des Jahres kämpften sie für Lohnerhöhungen von fünf Prozent, ein 13. Monatsgehalt und für bessere Sozialleistungen. Mit Erfolg: Kraftfahrer verdienten 2013 im Schnitt rund 2340 Euro im Monat und damit etwas mehr als in Deutschland. Der Mindestlohn liegt derzeit bei 9,61 Euro je Stunde oder 1457,52 Euro monatlich, basierend auf der verbindlichen 35-Stunden-Woche. Bald könnte dieser Mindestlohn auch für ausländische Lkw-Fahrer gelten, die in Frankreich unterwegs sind. Wer nur im Transit unterwegs ist, kommt jedoch nicht in den Genuss der Regelungen. Mitte nächsten Jahres könnte das Gesetz in Kraft treten.
Nicht alle sehen das positiv. Die Arbeitgeber am allerwenigsten. Frankreich gehört zu den teuersten Produktions- und Dienstleistungsstandorten weltweit. Die hohen Arbeitskosten haben daran einen erheblichen Anteil. "Errungenschaften" wie Zuschläge für Kindergeld, Wohngeld, eine Sterbeversicherung oder eine Fortbildungsabgabe tragen allein die Arbeitgeber. Immer wieder werden Reformen angemahnt. Die französischen Regierungen versuchen sich zwar daran, scheitern aber oft am Widerstand der Gewerkschaften. Das lähmt die französische Wirtschaft. Der schwache Konsum und die anhaltende Zurückhaltung der Industrie bei Investitionen halten das Land in der Konjunkturflaute fest.
AUFGESCHNITTENE PLANEN SIND HIER GANG UND GÄBE
Frankreich kämpft aber noch gegen andere Probleme. Der Hass auf Muslime und Ausländer sowie Homophobie nehmen deutlich zu und sollen künftig härter bestraft werden. Rund um die Brennpunkte wie in einigen Bezirken von Paris, Marseille oder in der Hafenstadt Calais sind die Probleme nicht zu übersehen. In Calais versuchen Flüchtlinge immer wieder in Lkw zu klettern oder sich unter ihnen zu verstecken, um nach Großbritannien zu gelangen. Für die Fahrer ist das nicht nur unangenehm, sondern auch teuer. Wird ein blinder Passagier entdeckt, kostet das bis zu 3500 Euro Strafe. Patrick Hubert, Geschäftsführer der KTS-Spedition aus Appenweiler, kennt die Probleme aus eigener Erfahrung. Bei einem seiner Fahrer seien auch schon mal drei blinde Passagiere aus dem Truck gesprungen. Allerdings komme das in Richtung Deutschland nur selten vor.
Zwar gilt Frankreich nicht als besonders gefährliches Pflaster, Meldungen über aufgeschnittene Planen und sogar ermordete Fahrer machen jedoch die Runde. Ulrich Schuhmann, der für KTS oft in Frankreich unterwegs ist, kann bestätigen: Aufgeschnittene Planen gehören in Frankreich dazu. Darum lässt er vor allem bei einem leeren Lkw gerne mal die Tür auf, um Dieben zu zeigen: Hier gibt es nichts zu holen. Bei wertvoller Fracht ist ihm dennoch oft mulmig. Hier heiße es, nicht abseits bewachter Plätze zu parken, auf der Autobahn zu bleiben und die Fahrt so zu planen, dass Pausen erst in Deutschland gemacht werden, so Schuhmann.
GUTE RASTSTÄTTEN ENTLANG DER NATIONALSTRASSEN
Ansonsten kann er über Frankreich viel Positives berichten. So seien die Autofahrer in der Regel rücksichtsvoller. "Da bleibt öfter mal einer stehen, damit der Lkw vorbeikommt", sagt Schuhmann. Für viele Fahrer das Wichtigste: Auf den Nationalstraßen sind 80 km/h erlaubt und nicht nur 60 wie in Deutschland. Ein weiteres Plus: Es gibt dort ausreichende Parkmöglichkeiten. Entlang der "Autoroutes" kehren Fahrer oft in eine echte Institution ein. Den Gastroführer "Le Routiers" gibt es schon sei 80 Jahren. Er listet (auch im Internet www.relais-routiers.com) eine Vielzahl von Restaurants auf mit Informationen zu den Öffnungszeiten, Zahl und Art der Parkplätze sowie Essens- und Übernachtungspreisen. Viele haben Duschen für Fernfahrer und vor allem günstige Menüs. Hier sitzen oft Fernfahrer zusammen und diskutieren über alles Mögliche oder warten nur ab, bis sich der nächste Streik gelegt hat. Alexander Heintze