Sie haben sich durch schwierigste Theorie-Fragen gearbeitet. Sie haben gezeigt, dass sie Ladung vernünftig sichern können. Bei der Versorgung von "Unfallopfern" liefen sie zur Höchstform auf, und mit dem LKW gehen sie so spielerisch um, als wär's die einfachste Sache der Welt, knapp 17 Meter Truck und Trailer durch ein Nadelöhr zu manövrieren.
Am Ende stand eine kleine, aber feine Elite aus zwölf Mann fest. Herausgefiltert aus hunderten Kandidaten, die weniger Glück hatten oder denen die Nerven im entscheidenden Moment versagten. Mit dabei: zahlreiche bekannte Gesichter. Es gehört zur Tradition des YETD, dass die Vorjahressieger im Kreis der Besten mitmischen. Spannende Frage: Würde es Patrick Schildmann, Sieger von 2010, gelingen, seinen Titel als deutscher Aspirant zu verteidigen? Alles sah danach aus. Mit stoischer Ruhe, seiner ganzen Erfahrung und riesig viel Können kämpfte er sich souverän in die letzte Runde.
Und die sollte es in sich haben. Während Rainer Stangl und Kollege Christian Hammer noch nacheinander im Rennen um Platz drei antraten, fuhren Patrick Schildmann und sein Finalgegner Thomas Fensel parallel gegeneinander.
Man kann sich trefflich darüber streiten, wer die "leichtere" Übung hatte. Stangl/Hammer mussten über einen an der vorderen Kupplung befestigten Handkarren samt Lanze Stoff-LKW von Podesten herunterstoßen. Das Tückische: etwas zu viel Lenkeinschlag und der Karren verkantete. Für den Fahrer hieß das aussteigen, Karre ausrichten und weiter. Stangl, Sieger des Vorentscheids in Stuttgart, legte vor. Sein Motto "in der Ruhe liegt die Kraft" sah Erfolg versprechend aus. Statt loszustürmen wie ein wilder Greif, bugsierte er den Lanzenträger mit Bedacht durch den kurvigen Parcours. Eine Traumzeit kam nicht heraus. Aber Rainer machte keinen Fehler, er musste nicht aussteigen und stieß Kuschellaster um Kuschellaster vom angestammten Platz.
Auf Christian Hammers Schultern lastete der Druck enorm. Immerhin ging's - wenn schon nicht mehr um den Gewinn des 100.000 Euro teuren Scania - doch um eine Reise nach Schweden. Da musste doch noch was drin sein! Eine Idee mehr Gas, um Rainers Zeit zu toppen. Nur ein Quäntchen - und Mist! Schneller als sich Christian versah, standen Handkarre und Lanze quer. Also raus aus der Kabine, ausrichten, rein, angurten und weiter. Wertvolle Zeit war verloren. Da half nur mehr Tempo. Doch fatalerweise führt mehr Speed auch zu mehr Fehlern. Am Ende musste sich Christian mit dem undankbaren vierten Platz zufriedengeben. Groß der Jubel bei Rainer. Er war dabei im Gefolge des noch zu bestimmenden Siegers.
Mit gewohnter Routine enterte Patrick seinen Laster. Sitz: passt! Spiegel: eingestellt! Zündung: an! Alle, die Patrick in den Vorentscheiden beobachtet hatten, waren sicher: Der Mann ist so cool, der ist so gut, der nutzt die historische Chance zum zweiten Mal. Er wird Thomas Fensel keine Chance lassen! Beim tückischen Parcours mussten die Finalisten vier rote, im 50-m-Quadrat gestellte Tonnen umwerfen. Zwei Tonnen mit dem Trailer-Heck, zwei Tonnen mit dem eingeschlagenen Vorderreifen. Doch die Leute von Scania hatten sich eine Gemeinheit einfallen lassen ...
FORTUNA ZEIGT SICH ÄUSSERST WANKELMÜTIG
Neben den Tonnen standen zwei weitere, und die mussten in jedem Fall stehen bleiben. Fielen sie, so musste der Fahrer raus, alles wieder aufstellen und neu starten. Bis zu Tonne Nummer zwei lieferten sich die beiden Finalisten ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen.
Dann wandte sich Glücksgöttin Fortuna Thomas Fensel zu. Patrick schmiss zwei Tonnen! Ein Raunen ging durch die Menge. Doch der 2010er-Sieger witterte Morgenluft - auch Thomas bekam Nervenflattern, zielte ungenau und warf zwei Tonnen. Bis alles in Ordnung gebracht war, fuhr Patrick fast gleich auf. Beiden standen dicke Schweißperlen auf der Stirn. Die mitgereisten Fans waren sprach- und atemlos vor Spannung. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Doch an der dritten Station fiel keine Stecknadel - sondern eine Tonne zu viel bei Patrick. Das Aufstellen kostete so viel Zeit, dass der dann fehlerfrei fahrende Thomas seinen LKW ungefährdet ins Ziel brachte. Der 24-jährige Berufskraftfahrer darf sich über den Titel "Bester deutscher Fahrer im YETD 2012" freuen und nimmt damit an der Endausscheidung in Schweden teil. Trost für den Zweitplatzierten: Er begleitet den Sieger.
VERKEHRSSICHERHEITSTAG RHEINLAND-PFALZ - Ankommen, nicht umkommen
Das Finale des Young European Truck Driver fiel auf den Verkehrssicherheitstag. Beim "Road Safety"-Pressegespräch blickten Experten in die nahe Zukunft. Der Schirmherr des Events, EU-Politiker Dr. Dieter-Lebrecht Koch, versprach, sich künftig mehr der europäischen Standards bei der Ladungssicherung anzunehmen. "Wie die Kontrollen ablaufen, die Form der Bestrafung bei Vergehen, vor allem aber die Regeln für eine sinnvolle Ladungssicherung, müssen dringend vereinheitlicht werden!" Zudem sei ihm wichtig, die Situation der LKW-Fahrer zu verbessern. "Für uns ist unverständlich, warum eine Standklimaanlage in einem Fernverkehrs-LKW noch nicht zur Pflichtausstattung gehört."
DVR-Präsident Dr. Walter Eichendorf appellierte, die "drei Killer im Straßenverkehr", wie er es nannte, zu eliminieren: Alkohol, nicht angegurtete Fahrer und nicht angepasste Geschwindigkeit. "80 Prozent aller Unfälle sind auf diese drei Faktoren zurück zu führen. Elf tödliche Unfälle pro Tag auf deutschen Straßen sind zu viel! Wir sollten nicht vergessen, die Arbeits sicherheit des LKW-Fahrers ist unsere Verkehrssicherheit." BGL-Hauptgeschäftsführer Prof. Karlheinz Schmidt analysierte die aktuelle Situation trotz 2011 leicht gestiegener Unfallzahlen positiv: "Betrachten wir die Zahl der Todesopfer in Deutschland in Relation zu den Milliarden Tonnenkilometern Transportleistung, sind wir trotz allem auf einem guten Weg - Mission Zero, jeder kommt an, keiner kommt um, ist keine Utopie. Zumal wir auch bei den Schwerverletzten einen rückläufigen Trend verzeichnen können." Schmidt appellierte an Fahrer und Unternehmer, über Geschwindigkeiten nachzudenken: "89 km/h bringen einen nicht schneller ans Ziel, höchstens schneller um!" Kritik übte Schmidt an den Fahrzeugherstellern: "Warum verbauen die Fahrerassistenzsysteme, die deaktiviert werden können? Die Fahrer müssen doch verstehen, dass man in einer Gefahr, in die man sich nicht begibt, auch nicht umkommt."
Unterstützung bekam Schmidt vom Präventionsexperten der Berufsgenossenschaft Verkehr, Dr. Klaus Ruff. Die BG Verkehr veröffentlichte kürzlich die Ergebnisse eines Vergleichstest zwischen Fuhrparks mit und ohne Assistenzsystemen. "Unsere Analyse belegt klar, dass sich mit LKW mit ESP, Spurbindung und Abstandstempomat ein Drittel weniger Unfälle ereignen!"