Jari Halinen aus Mäntyharju hat ganz genaue Vorstellungen davon, wie sein Arbeitsgerät ausgestattet sein muss. Der Finne vermittelt schnell den Eindruck, einer dieser Menschen zu sein, die völlig in ihrer Arbeit aufgehen und glücklich damit sind.
Jani Koskinen, Director Sales and Marketing der Lkw-Manufactur Sisu berichtet, dass der Kleinserienhersteller schon mit Jaris Vater kooperiert hat, um neue Entwicklungen auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Der Sohn führt das Geschäft des Vaters auch in dieser Hinsichtfort. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Hobby-Motorsportler auch einender ersten Sisu-Trucks aus der renovierten Polar-Serie in Euro-6-Konfiguration erhielt.
Die aktuelle Baureihe wird bekanntlich mit Daimler-Komponenten gefertigt, das Fahrerhausentstammt der Arocs-Familie. Doch Jari nimmt nicht alles von Daimler. Bei der Wahl des Getriebes kommt für den eigensinnigen Finnen nur ein Produkt in Betracht: eine unsynchronisierte 18-Gang-"Crashbox" von Fuller. Damit ist Halinens neuer Lkw in Europa ein absoluter Außenseiter, doch er ist überzeugt davon, dass der Antriebsstrang gut harmoniert: "Der aktuelle 16-Liter-Motor von Daimler basiert ja auf einer Entwicklung von Detroit Diesel. In Amerika verkaufen sie diese Kombination massenhaft , also passt das schon zusammen." Später, als er auf dem Weg zu einer Ladestelle die Gänge geschmeidig und geräuschlos wechselt, begründet der Holztrucker die Getriebewahl mit seinen Arbeitsbedingungen: "Die automatisierten Standard-Getriebe verkraft en ja das gewaltige Drehmoment des Motors gar nicht. Also wird das Potenzial vor allem in den kleinen Gängen nicht voll ausgeschöpft. Beim Fuller dagegen kommen die 3000 Newtonmeter an der Hinterachsean.
Wenn es schwierig wird im Wald, will ich mit dem Gaspedal entscheiden, wie viel Leistung ich abrufen will. Das soll nicht die Elektronikdosieren. Auf der Autobahn sind die gängigen Getriebe schon in Ordnung, aber für meinen Job ist ein Fuller eindeutig die bessere Wahl." Über den Daimler-Motor weiß Jari Halinen nur Gutes zu berichten: "Ich hatte zuvor den V8 mit 600 PS. Aber ein Sechszylinder ist mir lieber, der läuft wesentlich ruhiger. Der neue Motor hat ein sehr gutes Ansprechverhalten und ist vor allem beim AdBlue-Verbrauch sensationell. Da braucht er nur halb so viel wie das Euro-5-Modell."
ÄSTE, BAUMRINDE, WURZELSTÖCKE: FRÜHER ABFALL, HEUTE ROHSTOFF
Den Treibstoffverbrauch errechnet der finnische Holztrucker nicht pro Kilometer. Weil er in seinem Job viel mit dem Kran arbeitet, lautet sein Maßstab Verbrauch pro Stunde. Weil der Truck noch neu ist - er wurde einen Monat vor unserem Besuch ausgeliefert - hat Jari hier noch keine belastbaren Werte. Aber sein erster Eindruck ist, dass die Euro 6-Maschine jedenfalls nicht mehr Diesel schluckt als der Vorgänger: "Bis jetzt sind es etwa 18 bis 20 Liter pro Stunde, das habe ich zuvor auch verbraucht." Verbrauchsschonend wirkt sich auch eine neue, größere Hydraulikpumpe aus, die Sisu erstmals in Halinens neuem Truck verbaut hat. Das Verblüffende dabei: die Pumpe arbeitet trotz höherer Leistung mit etwas niedrigerer Motordrehzahl und ist laut Jani Koskinen sogar billiger als das alte Modell. Wenn der Praxistester nach einigen Wochen Erprobung den Daumen hebt, wird die neue Pumpe künftig in Serie verwendet.
Jari Halinen fährt momentan "energy wood". Die Bezeichnung lässt nicht im Entferntesten erahnen, was für ein Job sich dahinter verbirgt: Es sind die Wurzeln und Äste, die beim Einschlag übrig bleiben. Inzwischen ist das Zeug zum wertvollen Rohstoff avanciert. Doch während Stammholz meistens einigermaßen gut erreichbar für die Trucker gestapelt wird, türmen die Forstarbeiter die verkrusteten Wurzelstöcke irgendwo am Rand des Einschlags auf - Rand des Einschlags auf - Rand des Einschlags auf wo eben gerade Platz dafür ist.
Um flexibel zu sein, hat sich Jari ein vielseitig einsetzbares Equipment zugelegt. Die Restholz-Box auf dem Truck kann er mit dem Bordkran in wenigen Minuten herunterheben - dann wird aus dem Sisu in Kombination mit einem anderen Anhänger ein Standard-Holztransporter.
Der Hänger für den Transport des Energieholzes - Halinen benutzt ein Modell von Jyki - ist eine Spezialanfertigung für diesen Job. Die Box wird, wenn sie leer ist, zusammengeschoben. Der Ausleger des Krans reicht dann bis zum hinteren Ende. Ist dieser Teil beladen, schiebt Halinen den Container hydraulisch auseinander und belädt den vorderen Teil. Für das Rangieren auf engen Forstwegen lässt sich die hintere Tandemachse zudem nach vorne verschieben, was den Radstand deutlich verringert.
JARIS JAHRESZEIT IST DERSOMMER: DANN STEIGT ER UM IN DEN DRAGSTER
Im Sommer wird sich Halinen an einigen Wochenenden ans Steuer seines zweiten Trucks setzen. Der Volvo steht samt Auflieger im Winter tief verschneit auf dem Hof. Das ist der Zug, den der finnische Sisu-Chauffeur einsetzt, wenn er auf Speed ist: Er fährt für das britische Team RF Motorsport in der Spitzenklasse (top fuel) Drags-Motorsport in der Spitzenklasse (top fuel) Dragster-Rennen. Da werden in der Höchstgeschwindigkeiten bis zu 500 Stundenkilometer erreicht. Die Dragster parken während des Winters in Großbritannien. Juris größter Erfolg: Der Vizetitel der Europameisterschaft im Jahr 2012.
Im Gegensatz zu vielen anderen Partnerinnen von Motorsportlern steht Halinens Frau Erja voll hinter dem Hobby ihres Mannes, sie betreiben es nach eigener Aussage gemeinsam: "Ich habe als Kind nie mit Barbie-Puppen gespielt, sondern mit Autos." Erja hat ebenfalls eine Truck-Lizenz, sie hilft bei Bedarf aus und fuhr schon Kart- sowie Autorennen.
Für einen Lastwagen-Fahrer aus südlicheren Regionen wäre vermutlich eine Fahrt mit dem Sisu über tief verschneite Forstwege ein Thrill - für Jari Halinen ist das nur täglich Brot. Er holt sich seinen Kick im Dragster. Wer sich dafür interessiert, kann Jari am ersten Augustwochenende auf dem Hockenheimring zuschauen. Weitere Rennen werden in Großbritannien, Schweden und Finnland ausgetragen.