Das muss doch auch elektrisch funktionieren", dachten sich die Verantwortlichen bei Vigier. Das Unternehmen ist der älteste tätige Zementhersteller in der Schweiz und benötigt für sein Produkt natürlich entsprechende Zutaten. Diese möglichst nachhaltig aus dem Steinbruch im Berner Jura zu befördern, lautete die Zielsetzung bei Vigier.
Kurzerhand gründete man die Arbeitsgemeinschaft "eMining AG", zu der neben Fahrzeugbauern und Spezialisten für Batteriebau auch die Berner Fachhochschule und die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt EMPA gehörten.
Herausgekommen ist der "Lynx", was im Englischen das Tier Luchs bezeichnet. Dahinter steht ein Fahrzeug, das gleich mit mehreren Superlativen aufwartet. Es handelt sich hier nämlich um das größte elektrisch betriebene Fahrzeug mit Luftbereifung.
Die Basis liefert ein herkömmlicher Komatsu-HD-605-7-Dumper, dessen serienmäßiger 751 PS starker Sechszylinder-Diesel durch einen Elektro-Synchronmotor mit 634 Kilowatt (862 PS) Leistung und 9500 Newtonmeter Drehmoment ersetzt wurde. Zusätzlich ist ein hydraulischer Elektromotor mit 120 Kilowatt an Bord, der das Kippen der Mulde übernimmt sowie Servolenkung und Bremsen mit Strom versorgt.
ALLEIN DIE BATTERIEN
WIEGEN STATTLICHE 4,5 TONNEN
Diese geballte Leistung will natürlich entsprechend mit Energie versorgt werden. Die liefert das größte und schwerste Batteriepaket, das jemals in einem Elektrofahrzeug verbaut wurde. Die Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Akkus, die sowohl im Motorraum als auch anstelle des Dieseltanks ihren Platz einnahmen, bestehen aus vier Blöcken mit einer nutzbaren Kapazität von insgesamt 600 Kilowattstunden. Ein mit Luft, Glykol und Wasser arbeitendes Kühlsystem sorgt für eine konstante Temperatur von 25 Grad Celsius. Nicht weniger als 4,5 Tonnen, also mehr als zwei ausgewachsene SUV-Pkw, bringen allein die Batterien auf die Waage.
Damit tragen sie zum stattlichen Leergewicht des Lynx bei, das Vigier mit 58 Tonnen angibt. Zusammen mit der maximalen Zuladung von 65 Tonnen kommt der E-Dumper auf ein Einsatzgewicht von bis zu 123.000 Kilogramm.
Diese Tonnage hilft dem E-Komatsu aber eher, als dass sie ihn belastet. Während einer acht Stunden langen Schicht nimmt der Zweiachser im Schnitt zwanzig Mal eine drei Kilometer lange Strecke mit 180 Meter Höhenunterschied unter seine zwei Meter hoch bauenden Reifen. Die theoretische Höchstgeschwindigkeit liegt in der Ebene bei 40 km/h, bei Ausnutzung der maximalen Steigfähigkeit von 13 Prozent sind es laut Betreiberangabe noch elf Stundenkilometer.
Bergauf fährt der Lynx aber eben nur leer, denn vom Startpunkt geht es hinauf zum Ladepunkt, wo die 45 Kubikmeter Gestein fassende Mulde vollgeladen wird. Mit den oben erwähnten 123 Tonnen Gesamtgewicht geht's anschließend ausschließlich bergab. Dabei wandelt sich der Elektromotor zum Generator, speichert also Strom zurück in die Batterien.
Theoretisch rechnen die Betreiber bei diesem Einsatzszenario mit einem Stromüberschuss, der ins Stromnetz zurückgespeist wird. Der Lynx wird damit zu einem sogenannten "Energie Plus"-Fahrzeug. Jährlich spart er, je nach Einsatz, rund 50.000 Liter Dieselkraftstoff und rund 130 Tonnen CO2-Ausstoß ein. Mit der Einsparung von Diesel und CO2-Emissionen, der längeren Lebensdauer als Elektrofahrzeug sowie den geringeren Wartungskosten finanziert sich der Lynx langfristig selbst, rechnen die Vigier- Verantwortlichen vor.
WARUM HAT DER E-DUMPER
EINE GUMMIMATTE IN DER MULDE?
Am Entladeort offenbart sich eine zusätzliche Besonderheit des grünen Riesen. Normalerweise wird ein Festkleben der Ladung durch ein Beheizen der Mulde vereitelt. Bei Diesel-Dumpern werden dafür die heißen Abgase durch die Mulde geführt, was beim Elektropendant selbstredend nicht möglich ist. Hier sorgt eine starke Gummimatte innerhalb der Stahlmulde dafür, dass beim Abkippen nichts kleben bleibt.
Und noch einen Vorteil geben die Betreiber an. Dadurch, dass der Lynx eben keine Abgasfahne hinter sich herzieht, eignet er sich auch für Einsätze in geschlossenen Arealen, wie Tunnel oder Kavernen.
Autor: Gerlach Fronemann/JB