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Auf der Mexico 1 nach Baja California

23.08.2012 08:00 Uhr
Auf der Mexico 1 nach Baja California
Berühmt-berüchtigt: Die "Mex 1" nach Baja California
© Foto: Richard Kienberger

Nur ein Steinwurf trennt die mexikanische Halbinsel Baja California von den USA. Die LKW-Routen führen über die berüchtigte Mex 1.

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Das Leben von José Carlos Diaz endete am 19. November 2009 bei Kilometer 176 des Highways Mex 1, der den Norden der Halbinsel Baja California mit dem Süden verbindet. Am Ende eines tückischen Gefälles passt sich die Straße dort mit einer scharfen Kurve dem Gelände an, quert ein Vado und schlängelt sich auf der anderen Seite wieder aus dem ausgetrockneten sandigen Flussbett hinaus in die hügelige Landschaft. José Carlos Diaz war Trucker, und an der Stelle, die dem Mexikaner mit dem schütteren Haar zum Verhängnis wurde, haben Freunde und Hinterbliebene einen kleinen Schrein errichtet. Der erzählt mit wenigen Details eine lange Geschichte: Auf einem Foto sind José Carlos, der 54 Jahre alt wurde, und sein weißer Kenworth zu sehen, der einen Kühlauflieger zieht. Auf einem schlichten Eisenkreuz steht das Datum des Unfalls, Teile des Spoilers gehören ebenso zum Arrangement wie ein Bukett roter Plastikrosen.

Den Rest kann man sich nach einem Blick auf die Straße zusammenreimen. José Carlos mag eingeschlafen oder zu schnell gefahren sein, vielleicht hat ein technischer Defekt zu dem fatalen Unfall geführt, aber was macht das letztlich für einen Unterschied?

Schreine, Kreuze, Kränze oder Plastikblumen in knalligen Farben sieht man viel zu oft neben den wenigen Straßen, welche die mexikanische Halbinsel Baja California durchziehen. Und wenn ein Schild mit der Aufschrift "Curva Peligrosa" vor einer gefährlichen Biegung warnt, kann man eigentlich davon ausgehen, dass dort - sofern überhaupt vorhanden - die Leitplanke niedergewalzt ist, liegen gebliebener Fahrzeugschrott an einen Unfall erinnert oder eben eines Toten gedacht wird. Die Straße Nummer 1 ist vor allem nachts ein heißes Pflaster. Im Norden der Halbinsel, zwischen Tijuana und der Hafenstadt Ensenada, ist diese Trasse ein gut ausgebauter Highway, sofern man nicht auf der alten Strecke, sondern auf der neuen vierspurigen Mautroute mit der Bezeichnung 1D unterwegs ist.

Weiter in Richtung Süden ist die Mex 1 bis El Rosario meistens einigermaßen passabel - um danach zu einem extrem schmalen Asphaltband zu werden, das sich durch die teilweise gebirgige Halbwüste schlängelt.

ÜBERSCHWEMMUNGEN HINTERLIESSEN SPUREN

Die Straße bietet dann gerade einmal zwei koreanischen Kleinwagen nebeneinander ausreichend Platz - wenn sich zwei Trucks begegnen, bleiben nur noch wenige Zentimeter Zwischenraum. Auf den Seitenstreifen kann man sich auch nicht verlassen: Entweder wurde die Straße immer wieder neu asphaltiert, so dass der Rand inzwischen in einer gefährlichen Stufe abbricht. Oder Unwetter haben an vielen Stellen den lockeren Untergrund weggewaschen, so dass sich direkt neben der Fahrspur wahre Abgründe auftun. Im vergangenen Jahr war die Straße nach einem schweren Sturm und dadurch verursachte Überschwemmungen tagelang unpassierbar - die Armee musste anrücken, um die weggeschwemmten Brücken zunächst einmal notdürftig wieder passierbar zu machen.

Die Mex 1 ist nicht nur Verbindung zwischen dem Norden und dem Süden der Baja California. Viele Trucker benutzen die Strecke auf dem Weg von Zentralmexiko in den Norden oder umgekehrt, weil das deutlich schneller ist als die Route durchs Landesinnere. Rund 30 Stunden kalkulieren die camioneros für die 1473 Kilometer lange Strecke von Tijuana bis nach La Paz, Pausen nicht eingerechnet. Dort haben sie zahlreiche Fährverbindungen auf das mexikanische Festland zur Auswahl, in acht oder sechzehn Stunden - je nachdem, wie viel der Auftraggeber zu zahlen bereit ist - schippern die Trucks dann über den Golfo de California von Pichilingue bei La Paz nach Mazatlan oder in Richtung Culiacán, Hauptstadt der Provinz Sinaloa.

Die Jungs, die in Ensenada in Sichtweite der Pazifikküste auf einem unbefestigten Gelände vor einem Containerterminal Pause machen und auf die nächste Metallschachtel warten, können fürihre Touren wenigstens einigermaßen normale Straßen benutzen. "Meistens sind wir zwischen Mexicali und dem Hafen hier in Ensenada unterwegs," erzählt Eduardo, der Fahrer mit dem ältesten Truck. "Hecho en Mexico" steht auf der Haube des betagten Kenny: Fahrzeuge, die in Mexiko gebaut wurden, dominieren hier den Markt. Der Kenworth rollte 1972 vom Band, ob er schon damals mit einem 350 PS-Motor bestückt war, weiß Eduardo natürlich nicht. Mag sein, dass es seine Trucker-Ehre nicht zulässt, aber über sein Arbeitsgerät verliert der mexikanische Fernfahrer gegenüber einem Gringo kein schlechtes Wort. Der Langschnauzer sei immer noch gut in Schuss, versichert er.

LKW-FAHRER ZU SEIN, IST HIER KEIN SCHLECHTER JOB

Doch auf die Frage, wie viele Kilometer im Jahr er fahre, weiß Eduardo ebenso wie seine Freunde Marcelo und Alfredo keine Antwort. Sie machen eben ihren Job, fahren von Montag bis Samstag, verbringen den Sonntag mit ihren Familien und freuen sich, gute Arbeit gefunden zu haben. Rund 55 US-Dollar (umgerechnet ca. 42 Euro) verdienen die Fahrer bei ihrer Firma Transportes Rafa's, die rund 25 Trucks besitzt, pro Tag - in Mexiko ist das ein sehr guter Lohn.

Ein paar Tage später stehen einige Kollegen des Trios vor der Loncheria Viki bei Kilometer 136,5 unweit der Einmündung der Ruta 3 in die Ruta 1. Auch sie müssen warten, bis im Hafen ihr Zeitfenster für den Umschlag aufgerufen wird; sie trinken einen Kaffee oder versorgen sich beim Obsthändler am Straßenrand. In den Containern, die sie geladen haben, sei Baumwolle, berichten die Trucker. Die geht nach Japan. Bis zu 50 Tonnen Ladung schaufeln die Mexikaner auf Sattelzüge mit zwei Trailern, das ergibt Gesamtgewichte von über 80 Tonnen. Mit der Polizei oder den Militärs an den Kontrollpunkten haben die Fahrer keine Probleme. Und so kommt es, dass alle ihren Job gerne machen - auch wenn das auf der Baja California mitunter ein gefährlicher Beruf ist, in dem viele Kollegen nicht besonders alt werden.

Richard Kienberger

LÄNDERINFORMATION / Wüstenland und Drogenrouten

Das spanische Wort "Baja" erinnert zwar an "Bucht", heißt aber "nieder". Niederkalifornien ist eine Halbinsel im Westen von Mexiko, die sich in die beiden Provinzen Baja California und Baja California Sur (Süden) aufgliedert. Im Norden grenzt der Staat an die USA, hier beginnt der berüchtigte Grenzzaun, der den im direkten Vergleich immer noch reichen Norden vom armen Nachbarn in Süden trennen soll. In den vier Städten Mexicali, Tijuana, Ensenada und La Paz konzentriert sich der größte Teil der Bevölkerung von ca. rund drei Millionen Menschen. Sie verteilen sich auf ein Gebiet, das mit über 143.000 km2 knapp zehn Prozent größer ist als etwa Griechenland. De facto sind weite Teile der wüstenartigen Landschaft unbewohnt.

Die Verbindung von Tijuana nach San Diego ist einer der am häufigsten frequentierten Grenzübergänge weltweit. Die beiden Großstädte sind fast zusammengewachsen und werden nur durch den Grenzstreifen in einen US-amerikanischen und mexikanischen Teil getrennt. Zahlreiche Mexikaner pendeln täglich zwischen den beiden Städten, verdienen besser in Amerika und leben billiger zu Hause in Mexiko. Stundenlange Wartezeiten an den Schlagbäumen sind dabei üblich. Tijuana gilt als einigermaßen heißes Pflaster, ansonsten ist es auf der Halbinsel vergleichsweise ruhig. Daher versuchen die Tourismusbehörden der beiden Baja-Provinzen fast schon verzweifelt, Ausländer auf die Halbinsel mit ihren zahlreichen Naturschönheiten zu locken.

Der Alltag wird vor allem in den Grenzprovinzen stark vom Krieg zwischen staatlichen Institutionen (Bundespolizei, Armee) und den Drogenkartellen bestimmt. Diese kämpfen um die Vorherrschaft auf den Transitrouten der Drogenkuriere aus Südamerika. Dem brutalen Drogenkrieg fielen in Mexiko allein 2011 über 15.000 Menschen zum Opfer, 50.000 dürften es in den vergangenen fünf Jahren gewesen sein.

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