Astra? Da denkt man gemeinhin an etwas anderes als an LKW. Neben einem Opel-Modell und einer Hamburger Biermarke bezeichnet dieser Name auch die "Anonima Sarda Trasporti". Die ist heute Ivecos Spezialabteilung. Egal, ob es eine Schwerlastmaschine für bis zu 400 Tonnen Gesamtzuggewicht im Kongo sein soll, ein Ölfeldtransportfahrzeug für China oder ein geländegängiges Zweiachsfahrgestell mit Omnibusaufbau - den Jungs aus Piacenza ist kein Auftrag zu ungewöhnlich.
Ihre Lösungen bleiben dabei aber immer bodenständig und unkompliziert. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass die Italiener aktuell rund 70 Prozent ihrer Produktion in Afrika und dem arabischen Raum absetzen.
Die Zutaten dafür sind überschaubar: Man nehme im Falle der HD- und HHD-9-LKW eine Iveco-Kabine, einen Cursor-13-Motor und möglichst wenig Elektronik und hänge das Ganze in einen extrem verwindungssteifen, kastenförmigen Rahmen aus 530er-Domex. Auf den schraubt man dann gegossene Achsböcke, die ihrerseits zusätzlich ein massiver Querträger versteift. Da der Motor weit über den geschlossenen Rahmenprofilen thront, kann Astra mehr Kühlfläche realisieren, als Iveco beim Trakker schafft.
MISCHER MIT RIESIGEN TROMMELN
Mehr Verwindungssteifigkeit und Geländegängigkeit bieten die Spezialisten aus Piacenza sowieso. Das ist laut Verkäufer Thomas Ceska auch der Grund, warum viele Italiener ihre Mischer gerne auf Astra aufbauen, obwohl der rund 900 Kilogramm mehr wiegt als ein vergleichbarer Iveco Trakker. In Kurven lässt sich ein HD dank seines steifen Kastenrahmens viel weniger aus der Ruhe bringen als ein Standard-LKW. Deshalb setzen die Italiener für den Export 21er-Trommeln mit bis zu 14 Kubik Nettoinhalt auf ein Vierachsfahrgestell. Gerne baue man laut Ceska auch "Pumis" auf Astra-Fahrgestelle auf, Mischer mit integrierten Betonpumpen. Mögen aufgrund der prinzipbedingt ungleichen Gewichtsverteilung viele Fahrgestelle etwas "schief" daherkommen - ein Astra steht laut Ceska immer gerade. Ein Auftrag aus der Türkei verlangte Vierachser für 65 Tonnen Gesamtgewicht. Das sind 30 Prozent mehr als die technisch zulässigen 50 Tonnen. Auf Astras Anmerkung, dass es langfristig Probleme geben könnte, sofern die Geschwindigkeiten nicht drastisch reduziert würden, reagierten die Kunden gelassen: Klar hielten LKW das nicht ewig durch. Die Astra müssten ja auch nur länger laufen als die bisher verwendeten Fabrikate. Nicht nur in diesem Fall zahlt es sich aus, dass die Italiener viel unterwegs sind, um sich die Anforderungen bei den Kunden vor Ort anzusehen.
In Papua-Neuguinea beispielsweise stürzen sich Vierachser mit 50 Tonnen und mehr bis zu dreißigprozentige Gefälle hinab. Taucht in diesen abgelegenen Gegenden ein Mensch auf der Straße auf, sind die Fahrer angehalten, weiterzufahren: Auf dem pazifischen Eiland gibt es vereinzelt immer noch Fälle von Kannibalismus.
Dass die Retarder voll im Einsatz sind, kann man laut Produktmanager Stefano Zutta in den Abendstunden besonders gut beobachten. Dann glühen die Telma-Wirbelstrombremsen leuchtend rot unterm Chassis. Oft tauschen die Italiener Iveco- gegen Kessler-Achsen mit mehr Tragfähigkeit oder montieren zusätzliche Kühlsysteme, um den Cursor 13-Motor bei seiner schweren Arbeit zu unterstützen.
Über der HD- respektive HHD-Reihe rangieren die Knicklenker AD 30 und 40 und die starren Dumper RD 28 bis 50. Wobei die Zahlen jeweils die technische Nutzlast angeben, die in der Praxis gern überschritten wird. Auch hier kann Astra die Cursor-Motoren nutzen, nur für den RD 50 kauft man den 653 PS starken 16-Liter-Deutz-V8 zu - durch die neue Dachmarke CNH hoffen Zotta und seine Mannen, dass der Landwirtschafts- und Baumaschinenzweig bald genug Stückzahlen "macht", um den Iveco-eigenen Cursor 15 serienreif zu entwickeln.
EIN IVECO MIT DREI METER BREITE
Außerdem baut Astra LKW für den Mutterkonzern um. In einer Halle werden Eurocargo für den Einsatz auf Flughafen-Vorfeldern oder Erdgasantrieb klar gemacht. Ein Stralis 6x2 verlässt den Astra-Hof als 8x2 mit Vor- und Nachlauflenkachsen. 30 Trakker werden mit Kessler-Vorderachsen (das bedeutet drei Meter Außenbreite) zu Feuerwehrfahrgestellen für Brasilien. Die Fertigung der eigenen, GfK-beplankten Kabinen beendete Astra mit den letzten HD 8. Der HD 9 nutzt den Rohbau des Trakker. Trotzdem stehen noch einige "Achter" auf dem Hof, unter ihnen auch der künftige "König des Kongo": Ein HHD 8-88.56 mit Kühlturm und Orlandi-Schleppöse. Er soll einst 400 Tonnen Gesamtzuggewicht an den Haken nehmen!