Bereits in dritter Generation lenkt Martin Ahnefeld die Geschicke der Ahnefeld Möbel-Logistik. "Mitte der 50er- bis in die 80er-Jahre leitete meine Großmutter das Unternehmen. Eine Frau als Chefin - das war damals noch unüblich!", schmunzelt der Geschäftsführer der Spedition, "danach kam mein Vater zum Zug und schließlich ich." Das Unternehmen ist seit 1945 in Minden ansässig und seine Heimat verliert der 40-Jährige nie aus den Augen. Dafür sorgen schon seine als "Botschafter der Region" gestalteten Wechselkoffer.
MIT DEM RATTENFÄNGER VON HAMELN QUER DURCH DIE REBUPLIK
Auf ihnen prangen Motive des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, des Rattenfängers von Hameln oder des Sachsenrosses. So reisen Mindens Wahrzeichen durch die Bundesrepublik, nach Österreich oder in die Schweiz. Außerdem verteilt Ahnefeld für seine Kunden aus der Küchenhochburg Ostwestfalen Möbel nach Frankreich. "Frankreich ist mit Abstand der wichtigste Exportmarkt für die Möbelindustrie hier. Wir haben uns vor 15 Jahren auf das Thema spezialisiert und sind jede Woche flächendeckend in Frankreich unterwegs", berichtet der Firmenchef. Für das regionale Umzugsgeschäft hat die Spedition noch zwei Standorte in Herford und Hameln. Im Frachtbereich setzt das Unternehmen auch Subunternehmer für die lokale Verteilung ein.
Den Großteil des Speditionsgeschäfts macht die Neumöbel-Logistik aus. Zwei Zehntel der Einnahmen kommen aus dem Bereich "Umzüge & Lagerung". "Der Immobilienmarkt boomt - das wirkt sich positiv auf unser Geschäft aus", berichtet Umzugsberater Thomas Schnitker. Sechs von zehn Ahnefeld-Kunden sind Privatleute. Der Rest verteilt sich auf Firmen und die Bundeswehr, für die das ostwestfälische Familienunternehmen als Rahmenvertragspartner Mitarbeiterumzüge durchführt.
SCHWARZE SCHAFE IM INTERNET UNTERGRABEN DAS GESCHÄFT
2017 wuchs das Transportvolumen bei Ahnefeld um rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch Dumpingpreise zwielichtiger Wettbewerber erschweren professionellen Speditionen zunehmend das Geschäft. Über Online-Ausschreibungsplattformen wie MyHammer haben die schwarzen Schafe ein leichtes Spiel. "Im Netz tummeln sich Broker, quasi Sofaspediteure, die Subunternehmer schicken. Deren Preise sind viel zu niedrig für das Gewerbe", erklärt Martin Ahnefeld im Gespräch mit TRUCKER.
Immer wieder berichten Medien von undurchsichtigen Machenschaften wie zuletzt in Duisburg, wo Kunden gezielt abgezockt wurden. "Wir müssen uns klar abgrenzen von solchen Schwarzmarktgeschäften", urteilt Ahnefeld.
Wichtig ist für ihn, mit der Möbelindustrie und dem -handel eng zusammenzuarbeiten. "Wir können uns die Wartezeiten an den Rampen nicht mehr leisten. Wir haben nicht mehr die Zeit, wir haben nicht mehr das Geld und wir haben auch nicht mehr die Fahrer dazu", echauffiert er sich. "Bei ein oder zwei Stunden Wartezeit am Tag ist das pro Woche ein ganzer Arbeitstag. Das ist wertvolle Arbeitszeit, die die Fahrer auf der Straße verbringen müssen", berichtet er. Ab dem Herbst soll ein Zeitarbeiter zunächst probeweise an der Lagerrampe der Firma Porta Möbel in Vennebeck bei Minden mithelfen. Die Idee: Verschiedene Speditionen können den Helfer buchen. Das soll das zunehmend knappe Fahrpersonal entlasten.
FAHRER MÜSSEN HEUTE MEHR KÖNNEN ALS NOCH VOR VIER JAHREN
Auch bei Ahnefeld stehen die Themen Nachwuchs und Personal angesichts des wachsenden Fahrermangels ganz oben auf der Agenda. "Wir haben keine Fachkräfte mehr", stellt der Firmenchef fest. Für den Manager ist das nicht nachvollziehbar, denn die Berufskraftfahrerausbildung werde häufig unterschätzt. "Die Fahrer müssen heute deutlich mehr können als noch vor vier Jahren. Und die Berufsaussichten sind nicht schlecht", betont der Geschäftsführer.
Seine Auszubildenden werden vom ersten Tag an in die Praxis integriert. In diesem Jahr begleitet Ralf Böhne aus dem Bereich Service & Logistik elf Azubis, darunter drei Flüchtlinge. Sie zu betreuen ist dem Ausbilder zufolge besonders aufwendig. Es gehe um die Arbeitserlaubnis, die Aufenthaltserlaubnis, die derzeitige Wohnsituation. Speziell bei den angehenden Berufskraftfahrern sei das Thema Sprache eine zusätzliche Hürde, wenn es um den Führerschein geht, ergänzt Ahnefeld. Derzeit machen zwei Flüchtlinge bei ihm eine BKF-Ausbildung. "Die Leute sind sehr engagiert und bringen sich teils selbst Deutsch bei. Davor muss man schon Hochachtung haben", erklärt der Firmenchef.
EXTRA TASCHENGELD VOM CHEF FÜR DEN WOCHENENDTRIP
Um den Zusammenhalt zu stärken, tut er viel für seine Mitarbeiter. Ähnlich wie bei Tankgutscheinen erhalten sie eine Prepaid-Mastercard, mit der sie zwar kein Bargeld abheben, dafür aber Dinge kaufen können. "Das ist sehr gut angekommen. Ein Kollege hat seiner Familie damit schon einen Wochenendausflug spendiert", berichtet der Geschäftsführer. Darüber hinaus biete das Unternehmen eine betriebliche Altersvorsorge und veranstaltet regelmäßige Firmenevents - vom Fahrerfrühstück bis zur Weihnachtsfeier. Selbstverständlich ist für Ahnefeld eine leistungs- und marktgerechte Bezahlung.
Und regelmäßig werden seine Fahrer zu den Themen Verladung, Projektabwicklung, Montage oder Schadensprävention geschult. Die Kosten für die Module nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) übernimmt das Unternehmen komplett. Zunehmend wichtig ist vielen Fahrern laut Ahnefeld auch, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. "Wir stellen uns darauf ein, zum Beispiel können wir Urlaubswünsche aufgrund unserer Größe berücksichtigen", erklärt er.
EIGENE WASCHSTRASSE, TANKSTELLE UND LKW-WERKSTATT
Derzeit plant der Firmenchef weitere Investitionen. "Entgegen allen Diskussionen werden wir eine AdBlue-Tankstelle einrichten, die vierte in Minden", verrät er. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres sei der Absatz in diesem Bereich um 25 Prozent gewachsen. "Die Kunden setzen mehr Euro 6 ein, auch bei Pkw. Wir glauben weiter an den Diesel, beim Lkw ist er auch nicht wegzudenken", so Ahnefeld. Und er muss es wissen, schließlich betreibt sein Unternehmen die zweitgrößte Lkw-Werkstatt Mindens samt Waschstraße und Tankstelle. Hier warten 20 Mechatroniker und zwei Meister nicht nur die eigene Flotte, sondern zu 80 Prozent Kundenfahrzeuge aller Marken.
So wie bei ihm in Minden wünscht sich Martin Ahnefeld für die gesamte Branche mehr Selbstbewusstsein. Das gelte auch für den Fahrerberuf, der einiges zu bieten habe: "Sie haben keinen Chef, der den ganzen Tag hinter Ihnen steht. Sie können frei entscheiden, sich frei bewegen", berichtet er. Für den jüngsten Nachwuchs ist in seinem Unternehmen bereits gesorgt: Noch während des Reportagetermins in Minden unterschrieb der 17-jährige Jerome Zygar seinen Vertrag für die Ausbildung zum Berufskraftfahrer, die im August startete. "Für uns ist das eine Investition in die Zukunft", betont Ausbilder Böhne.
Firmenprofil: die Ahnefeld Möbel-Logistik
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Familie Ahnefeld auf der Flucht nach Minden, ihre Betriebe in Ostpreußen hatte sie verloren. Von Ostwestfalen aus transportierte sie Umzugsgut Evakuierter in das Ruhrgebiet und neue Möbel für französische Familien in der Besatzungszone. Im Fernverkehr bewegte der Betrieb bald Lebensmittel, im Nahund Regionalbereich Baustoffe. Zeitweise betrieb Ahnefeld auch die Personenbeförderung sowie ein Handelsgeschäft mit Kohlen, Kartoffeln und Futtermitteln.
Seit den späten 50ern konzentriert sich das Familienunternehmen auf Logistikdienstleistungen für die Möbelindustrie, Privathaushalte, Industrieunternehmen und Verwaltungen. In den 1970ern gehörte Ahnefeld dann zu den ersten deutschen Logistikern, die auf Wechselkoffer umstellten. Heute betreibt das Unternehmen einen reinen Wechselbrücken-Fuhrpark mit 300 Einheiten, die bundesweit vor Ort bei den Kunden stehen. Seit 1973 bietet die Firma auch Umschlags- und Langfristlagerung für Möbel und Container. Heute beschäftigt Ahnefeld ( www.ahnefeld.de) 110 Mitarbeiter, unterhält 40 Fernverkehrszüge, eine freie Service-Lkw-Werkstatt mit HU-Prüfstand sowie eine Waschstraße und eine Tankstelle. Der Umsatz lag zuletzt im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.
INTERVIEW MIT FAHRER ENRICO WETZEL
Enrico Wetzel (35) ist wie sein Vater Dieter (63) und sein Bruder Marco (39) als Fahrer bei Ahnefeld tätig. Im Gespräch mit TRUCKER berichtet er aus seinem Alltag.
Wie kamst du zur Möbellogistik?
Ich war schon als Schuljunge in den Ferien mit meinem Vater auf Auslieferungsfahrten. Nach meiner Ausbildung zum Maurer habe ich mich 2002 bei Ahnefeld beworben. Nachdem ich 2006 ein Jahr beim Bund war, habe ich 2007 über die Agentur für Arbeit den Lkw-Führerschein gemacht.
Du fährst mit deinem Vater. Geht das gut?
Die ersten zwei Jahre gab es noch die typischen Vater-Sohn-Streitereien: Jeder wusste alles besser. Aber das hat sich eingestellt, man versteht sich blind. Allgemein ist der Zusammenhalt bei Ahnefeld toll.
Welches Fahrzeug fährst du?
Aktuell einen MAN TGX 440 mit 26 Tonnen Gesamtgewicht. Ein Dreiachser mit mitlenkender Schleppachse und Hebebühne ist bei der Auslieferung eine echte Arbeitserleichterung. Anfangs bin ich noch auf der Mercedes-SK-Reihe als Beifahrer mitgefahren. Bei einer Vier-Mann-Umzugstruppe war da wenig Platz. Danach kam der Mercedes Actros MP1 Zweiachser, den ich auch selber fuhr. Wegen des langen Radstands und des großen Lenkradius musste ich viel kurbeln. Heute versüßt mir sogar noch ein Bose-Soundsystem den Feierabend an Bord.
Wie sieht deine Arbeitswoche aus?
Meist bin ich montags bis freitags unterwegs, auch mal bis Samstagmorgen, wegen der Lenk- und Ruhezeiten und bei langen Fahrten teils schon ab Sonntagabend. Größere Projekte am Wochenende werden vorher angekündigt.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass mal ein Schwung junger Leute nachkommt. Im Schnitt schätze ich die Ahnefeld-Fahrer auf Mitte/Ende 40, in der Spitze um die 60. Es muss aber keiner sein Kreuz herhalten, mittlerweile sind Montageteams vor Ort. Ab und an muss man auch mal mit anpacken, so kommt man mal hinterm Lenkrad hervor. Was ich mir noch wünschen würde: mitentscheiden zu dürfen beim Kauf neuer Fahrzeuge.