Das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Urlaubsverjährung ist gefallen: Erfurter Richter haben am 31. Januar entschieden, dass die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Urlaub weiterhin nach drei Jahren verjährt – und das auch ohne regelmäßige Erinnerung, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
„Nach Auffassung des BAG stellt die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur dar, durch die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern nicht mehr regelmäßig auf die Verjährung hinweisen muss“, erklärt Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Die Frist für die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.“
„Nach dieser Entscheidung müssen Arbeitgeber zumindest nicht mehr befürchten, dass ausscheidende Arbeitnehmer von ihnen die Auszahlung offener Urlaubsansprüche aus einer Vielzahl an Jahren verlangen können“, erläutert Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wichtig sei allerdings weiterhin, dass Arbeitgeber beim Thema Urlaub mit größter Sorgfalt agieren.
Das Urteil von Ende Januar betrifft die finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer getrennte Wege gehen. Es ändert nichts daran, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auf Basis der Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2022 regelmäßig darauf hinweisen müssen, ihren Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen – andernfalls verfallen und verjähren die Urlaubsansprüche nicht. „Um bei Urlaubsansprüchen operativ und finanziell auf der sicheren Seite zu sein, müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon – und regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen“, sagt Zobel.
Operativ und finanziell gesehen sind die Themen Urlaub und Verjährung von Urlaubsansprüchen mit den beiden Entscheidungen vom 20. Dezember 2022 für Unternehmen zu einer Herausforderung geworden: Schließlich muss ein Unternehmen für jeden Urlaubstag, den ein Arbeitnehmer im laufenden Geschäftsjahr nicht und damit über den Jahreswechsel mitnimmt, finanzielle Rückstellungen bilden. Denn wenn der Arbeitnehmer mit Resturlaub kündigt oder ihm gekündigt werden muss, kann es sein, dass der Resturlaub ausgezahlt werden muss – im Fall der Fälle auch noch bis zu drei Jahre nach dem Ausscheiden. In solchen Fällen ist ein entsprechendes finanzielles Polster für den Arbeitgeber am Ende viel wert. Allerdings können die Rückstellungen die Firmenbilanz über einen langen Zeitraum negativ beeinflussen, da sie im Falle eines Abrufs den zu versteuernden Gewinn und damit die Steuerlast des Unternehmens erhöhen.
Experten empfehlen Arbeitgebern, die jüngsten Entscheidungen des BAG zum Anlass nehmen, ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub zu überprüfen.
Fakt ist: Arbeitgeber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Arbeitnehmer ihren Urlaub wirklich wahrnehmen.
Was das bedeutet, ist spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Februar 2019 klar: Ein Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer formal und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie noch Urlaubstage übrig haben und diese verfallen können. „Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber auch nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmer an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall und die Verjährung erinnert hat“, sagt Panzer. Denn nur dann verfällt der Jahresurlaub der Arbeitnehmer zum Ende des Jahres (beziehungsweise zum 31. März des Folgejahres) oder verjährt nach drei Jahren. „Wichtig ist: Jetzt müssen Arbeitgeber zusätzlich noch darauf achten, dass sie ihre Arbeitnehmer auf die Verjährung ihrer Urlaubsansprüche nach drei Jahren aufmerksam machen“, so der Spezialist.
„Die Informations-Pflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die sogenannte Hinweisobliegenheit, ist leider konkret unkonkret ausgestaltet“, sagt Zobel. „Es ist schlichtweg unklar, was "formal und rechtzeitig" hinweisen ganz konkret heißt?“
Erinnere der Arbeitgeber zu früh im Jahr – etwa bereits im Frühjahr – fehle dem Hinweis die Wirkungskraft. Je näher das Jahresende rücke, desto wirksamer würden Erinnerungen oder gut gemeinte Warnungen vor einem Urlaubsverfall. Allerdings komme es dann mitunter vor, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht mehr im laufenden Geschäfts- und Kalenderjahr nehmen könne, so der Leiter des Arbeitsrechtsbereichs bei Schultze & Braun.
Es ist daher für Arbeitgeber ratsam, das Thema Urlaub regelmäßig anzusprechen, beispielsweise alle drei Monate. Der Vorteil bei solch einem regelmäßigen Turnus ist, dass alle informiert bleiben und das Thema und die Nerven der Beteiligten auch nicht überstrapaziert werden. Wichtig ist, dass ein Arbeitgeber bei diesen Hinweisen aber zum Beispiel auch langzeitkranke Arbeitnehmer informiert – etwa für das Kalenderjahr, in dessen Lauf die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. „Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Information ihrer Arbeitnehmer schriftlich dokumentieren und sich von den Arbeitnehmern innerhalb einer angemessenen Frist bestätigen lassen, dass sie die Information erhalten und verstanden haben“, sagt Panzer.
Das gemeinsame Ziel von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte es sein, die Urlaubswünsche abzufragen, um diese bei der Festlegung des Urlaubs mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. „Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich austauschen, profitieren beide Seiten davon und das Thema Urlaubsplanung ist – trotz ungenauer Definition – keine unlösbare Aufgabe“, fasst Zobel zusammen.