In einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschuss zum Entwurf der Bundesregierung für eine fünfte Novelle des Bundesfernstraßenmautgesetzes wurde am 12. Oktober deutlich, dass die Güterkraftverkehrsbranche die zum 1. Januar 2023 geplante Erhöhung der Lkw-Maut-Sätze ablehnt, wie die Parlamentsnachrichten berichten. Eine solche Erhöhung komme zur Unzeit. Während auf der einen Seite händeringend nach Entlastungsmöglichkeiten gesucht werde, dürfe die Maut nicht noch eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen und die Verbraucher darstellen, sagte Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL).
Gerhard Schulz, Vorsitzender der Geschäftsführung des mit der Erhebung der Maut beauftragten Unternehmens Toll Collect, machte hingegen deutlich, dass eine Anpassung zum 1. Januar 2023 zwingend notwendig sei, um die Rechtssicherheit der Maut zu wahren. Mit der Gesetzesnovelle sollen die Mautgebühren ab dem 1. Januar 2023 basierend auf dem aktuellen Wegekostengutachten angepasst werden. Zudem sollen einer entsprechenden EU-Richtlinie folgend die tatsächlichen externen Kosten den Nutzern der mautpflichtigen Strecken angelastet werden. Innerhalb der kommenden zwei Jahre soll auch eine CO2-Differenzierung bei der Lkw-Maut vorgenommen, der gewerbliche Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbezogen und ein CO2-Zuschlag eingeführt werden.
Die Branche stehe angesichts extrem gestiegener Treibstoffkosten und deutlich erhöhter Lohnforderungen vor nie dagewesenen Herausforderungen, betonte BWVL-Hauptgeschäftsführer Olligschläger. Mit einer Mauterhöhung dürfe nun nicht noch Öl ins Feuer gegossen werden, warnte er und forderte eine Aussetzung der Mauterhöhung zu Beginn des kommenden Jahres.
Eigentlich müsse über eine Entlastung statt über eine Mauthöhung gesprochen werden, erklärte auch Jens Pawlowski vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Viele Unternehmen stünden schon jetzt vor dem Aus – insbesondere jene, die Anreizen der Bundesregierung gefolgt sind und auf LNG-Lkw gesetzt haben. „Niemand hilft diesen Unternehmen“, sagte Pawlowski, der auch den viel zu geringen Vorlauf für die Änderung der Mautkosten kritisierte.
Der Speditionsunternehmer Christopher Schuldes verwies darauf, dass schon die erste zum Anfang des kommenden Jahres geplante „kleine Erhöhung“ den Gewinn kleinerer und mittelständischer Unternehmen (KMU) halbiere. Das zeige die prekäre Situation, in der sich die Betriebe befänden. „Wir haben hier eine ernst zu nehmende schleichende Gefahr der Insolvenzen im KMU-Bereich“, sagte Schuldes, der sich „ein Stück weit verzweifelt“ zeigte.
Hingegen betonte Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dass Deutschland die Klimaziele erreichen müsse, zu denen sich die Bundesregierung verpflichtet habe, schließlich gebe es nach wie vor die Klimakrise. Die Lkw-Maut sei nicht das einzige, „aber ein wichtiges Instrument, um diesen Zielen ein bisschen näher zu kommen“. Die Reform müsse unbedingt so zügig wie möglich auch um eine CO2-Spreizung der Infrastrukturabgabe erweitert werden, forderte sie. Zusätzlich müsse noch ein CO2-Aufschlag eingeführt werden.
Peter Westenberger, Geschäftsführer beim Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), verwies in der Sitzung auf Erfahrungen aus der Schweiz, „die hierzulande leider nicht in der politischen Diskussion aufgegriffen wurden“. In der Schweiz sei die „etwa fünffach höhere Maut für schwere Lkw“ von Anfang an auf allen Straßen erhoben worden – in Deutschland nur auf sechs Prozent des Straßennetzes. Die in der Schweiz über die Maut vereinnahmten Mittel gingen zudem komplett in einen Topf beim Bund, aus dem wiederum 80 Prozent dem Bahninfrastrukturfonds zur Verfügung gestellt würden. Ziel sei es gewesen, der Transportwirtschaft eine Alternative zur Straße zur Verfügung zu stellen, sagte Westenberger. (tb)