Arbeitgeber dürfen in einem Kündigungsschutzprozess selbst dann Videoaufnahmen als Beweise verwenden, wenn sie diese nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts erlangt haben. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit einem wegweisenden Urteil vom 29. Juni klargestellt. Welche Folgen dieses Urteil hat, erläutert Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Gunnar Roloff.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einem Kündigungsschutzprozess die Frage zu beantworten, ob Arbeitgeber Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung vom Arbeitgeber zur Begründung einer Kündigung heranziehen können. „Die zu beurteilende Fallkonstellation war deshalb problematisch, weil die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stand“, erklärt Roloff.
Der Arbeitgeber hatte seinem Arbeitnehmer fristlos gekündigt. Das Unternehmen begründete die Kündigung damit, dass der Arbeitnehmer die Vergütung für eine Mehrarbeitsschicht verlangte, obwohl er diese nicht geleistet hatte. Der Arbeitnehmer hatte zwar zunächst das Werksgelände betreten, dieses aber noch vor Schichtbeginn wieder verlassen. Dies ergab sich aus Aufzeichnungen einer durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an einem Tor zum Werksgelände.
Der Arbeitnehmer erhob Klage gegen die ausgesprochene Kündigung. Er behauptete, am besagten Tag gearbeitet zu haben. Zugleich nahm er für sich in Anspruch, dass das Gericht die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigen darf. In solch einem Fall sprechen die Experten von einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. „Mit dieser Argumentation konnte der Arbeitnehmer das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht überzeugen“ berichtet Roloff. Diese gaben seiner Kündigungsschutzklage statt.
Allerdings hatte die Revision des Arbeitgebers vor dem BAG Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Dieses muss nun bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Arbeitgebers hinsichtlich des vorzeitigen Verlassens des Werksgeländes durch den Arbeitnehmer berücksichtigen und gegebenenfalls auch die Videosequenz in Augenschein nehmen.
Aus Sicht des BAG spiele es keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes oder der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entspricht. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, wäre eine Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers durch die Arbeitsgerichte nicht ausgeschlossen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung offen erfolgt ist und ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers im Raum steht. Das BAG hat insoweit resümiert, als es in einem solchen Fall irrelevant ist, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial gewartet hat.
„Arbeitgebern ist es vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts jetzt nicht mehr grundsätzlich verwehrt, Erkenntnisse aus Videoüberwachungen allein deshalb nicht mehr zu verwenden, weil datenschutzrechtliche Löschfristen verstrichen sind“, fasst Roloff zusammen. Vor dem Hintergrund, dass Fehlverhalten von Arbeitnehmern durch Videoaufzeichnungen infolge eines Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot wertlos sein sollten, war den Unternehmen in der Vergangenheit auch kaum zu vermitteln.