Wäre die Umgebung nicht so urban, erinnerte sie an Szenen, wie man sie aus Tierdokumentationen kennt. Dort schweben tonnenschwere Elefanten oder Nashörner an Seilen durch die Lüfte - am Mittwoch ist es ein 32 Tonnen schwerer Speziallaster. Dieser wird - mitten in Wiesbaden - von der gesperrten und einsturzgefährdeten Salzbachtalbrücke auf der Autobahn 66 gehoben.
Ein wenig war das Fahrzeug schon zum Wahrzeichen für die abrupte Sperrung der Salzbachtalbrücke geworden: Das rot-gelbe sogenannte Unterbrückenfahrzeug stand seit Juni weithin sichtbar auf der Autobahnbrücke der A66. Lange konnte es nicht von dem maroden Bauwerk geholt werden - zu gefährlich, meinten Experten. Notfalls müsse es zusammen mit der Brücke gesprengt werden, hieß es.
Fahrzeug im Wert von 700.000 Euro
„Das hat nicht so schöne Gefühle ausgelöst“, berichtet Joachim Nießner, Geschäftsführer der Firma Wemo-tec aus Eichenzell im Landkreis Fulda, der die Maschine gehört. Erst seit Ostern sei das Fahrzeug überhaupt in Betrieb gewesen, die Wiesbadener Baustelle gehörte zu den ersten Einsätzen. „Für uns ist das ein wichtiges Gerät mit einem Wert von etwa 700.000 Euro“, erklärt Nießner. Da will auch der Chef persönlich beobachten, ob alles glatt läuft. Gleich zu Beginn der Bergung sei die Batterie geprüft worden, schließlich soll das gute Stück am Nachmittag noch seine Heimreise antreten.
Die Salzbachtalbrücke auf der Autobahn 66 war Mitte Juni kurzfristig gesperrt worden, nachdem sich der Überbau an einem Pfeiler abgesenkt hatte und Betonbrocken herabgefallen waren. Auch die Straßen und Bahngleise unter der Brücke durften nicht mehr befahren werden. Die Sperrung beeinträchtigt massiv den Verkehr im westlichen Rhein-Main-Gebiet. Die wichtige Autobahn 66 zwischen Wiesbaden Frankfurt wurde an der Stelle unterbrochen, was teils weiträumige Umleitungen nötig macht. Auch unter der Brücke darf kein Zug- und kein Straßenverkehr rollen. Der Hauptbahnhof Wiesbaden ist daher weitgehend vom Bahnverkehr abgeschnitten.
Kein Betretungsverbot mehr für Salzbachtalbrücke
Gedanken um den Verkehr macht sich am Mittwochmorgen rund um den einsamen Laster erst einmal niemand. Unter der Brücke steht ein etwa 40 Meter weit ausgefahrener Kran bereit. Er ist zum Boden hin abgesichert, damit er das große Gewicht heben kann. An den Rädern des Spezialfahrzeugs haben Männer am Morgen Haltevorrichtungen angebracht. Daran wurden insgesamt acht Stahlketten angeschlagen. Sie sind parallel zur Vorder- und Hinterachse über Traversen verbunden.
Erst seit etwas über einer Woche gilt das Betretungsverbot für die havarierte Brücke nicht mehr, wie Matthias Achauer vom Brückenbau und Bauwerksmanagement der Autobahn GmbH erläutert. Den Lastwagen einfach wegzufahren sei aufgrund der örtlichen Gegebenheiten aber nicht möglich gewesen.
Also geht es erstmal nach oben. Langsam und hochkonzentriert hebt der Kranführer den Lastwagen Zentimeter für Zentimeter an. Nicht nur unter den wachsamen Augen von Joachim Nießner, auch unten am Boden überprüfen Mitarbeiter anhand von Manometern permanent den Druck, der nun auf den Stahlstützen unter der Brücke lastet. „Man hatte zunächst befürchtet, dass die Gewichtsverlagerung von 32 Tonnen Auswirkungen auf die Stabilität der Brücke haben könnte“, sagt Nießner.
Bergung geglückt
Doch alles geht gut. Die Spezialmaschine schwebt zunächst einige Meter in der Luft über der Brücke. Männer sichern mit Halteseilen das Fahrzeug, um zu verhindern, dass es sich in der Luft unkontrolliert bewegt. Allmählich dreht sich das Heck in Richtung Brücke, langsam geht es abwärts, um dann vor dem Kran auf der Straße zum Stehen zu kommen. Erleichterte Gesichter rundum. „Ich glaube, es wird mit Applaus zu Hause in Empfang genommen“, meint Nießner.
Der Sprengung der Brücke steht nun nichts mehr im Wege. Die Vorbereitungen dafür laufen. Ein Termin Ende Oktober oder Anfang November werde angepeilt, erklärt Achauer. Anschließend soll die Brücke neu gebaut werden.