Reisezeiten mit der Bahn, die im Zusammenhang mit der Überführung von neuen Nutzfahrzeugen anfallen, sind Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, das entschied Anfang Mai die Dritte Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg mit einem Urteil.
Kläger in den beiden Verfahren ist ein Speditionsunternehmen, das auf die Überführung von neuen und gebrauchten Nutzfahrzeugen, unter anderem Sattelzugmaschinen, spezialisiert ist. Die für die Überführung eingesetzten Arbeitnehmer fahren mit Taxi und Bahn zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs, übernehmen es dort und fahren das Fahrzeug anschließend auf der eigenen Achse zum Zielort. Von dort reisen sie wiederum mit der Bahn zurück zu ihrem Wohnort. Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt hatte der Spedition aufgegeben, die zulässigen Höchstarbeitszeiten einzuhalten und dabei festgestellt, dass Bahnreisezeiten, die im Zusammenhang mit der Überführung von neuen Nutzfahrzeugen anfielen, als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu berücksichtigen seien. Dagegen wandte sich das Transportunternehmen mit dem Argument, die betroffenen Arbeitnehmer seien während der Bahnfahrt in der Gestaltung ihrer Zeit völlig frei, sodass ihnen nur ein „Freizeitopfer“ abverlangt werde.
Die Dritte Kammer des Verwaltungsgericht Lüneburg war allerdings nicht der gleichen Meinung: "Die einschlägigen europarechtlichen Grundlagen (Arbeitszeit-Richtlinie) erforderten im vorliegenden Fall eine von der gängigen Definition des Bundesarbeitsgerichts (BAG) abweichende Bestimmung des Begriffs der Arbeitszeit", heißt es im entsprechenden Urteil.
Zwar gehe mit dem Bahnfahren nicht zwingend eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende Belastung einher, was nach der sogenannten Beanspruchungstheorie des BAG maßgeblich für die Erfassung einer Tätigkeit als Arbeitszeit sei. Für die europarechtliche Begriffsbestimmung sei jedoch entscheidend, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme. Danach zähle die Bahnreisezeit als Arbeitszeit. Denn die regelmäßig mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn sei einerseits bereits Teil der Leistungserbringung und beschränke andererseits die Freiheit der Fahrer, über ihre Zeit selbst zu bestimmen. So hänge die Dauer der Bahnreisezeit allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden müsse. Anders als bei der Anreise zu einer festen Betriebsstätte stehe sie somit nicht zur Disposition des Arbeitnehmers, sondern sei der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Spedition kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht stellen.