Die Elektronik ist als Steuer- und Kontrollinstrument auch beim Trailer weiter auf dem Vormarsch. Ähnlich Fleet Remote von TIP hat auch Kässbohrer ein Kontrollsystem für seine Fahrzeuge angedacht, mit dem sich exakte Aussagen über den „Gesundheitszustand“ des Trailers machen lassen. Nachdem aber schon Knorr und TIP diverse Möglichkeiten der elektronischen Überwachung und Steuerung vorstellten, fokussierte sich Kässbohrer auf die „hardwareseitigen“ Neuheiten.
Die nutzen im Falle des neuen SBB-Systems (Steer-by-brake) aber ebenfalls die Elektronik, um im Falle der fünfachsigen Tieflader die stangenbasierten Selbstlenkersysteme zu ersetzen. Ziel war dabei laut Entwicklungsingenieur Volkan Akinci, die Wartungskosten und das Gewicht zu reduzieren, das Blockieren bei Rückwärtsfahrt zu sparen und so den gleichen Lenkradius wie beim zwangsgelenkten Tieflader zu realisieren. Dazu nutzt Kässbohrer die komplexeren TEBS-Steuer-Systeme und spendiert der vierten und fünften Achse einen eigenen Bremskanal. Die erste Achse bleibt liftbar und unter 30 km/h kann die vierte Achse per Balgdruckabsenkung entlastet werden. Sollten diese Tricks noch nicht genügen, wird an der fünften Achse einseitig zugebremst. Das Lenksignal kommt vom Unterschied der Radgeschwindigkeiten, außerdem hat Kässbohrer das RSS integriert. Diese ganzen Regelmöglichkeiten bedingen diverse Konfigurationen: „Wir hatten dreißig verschiedene Konfigurationen im Versuch, die wir zweieinhalb Monate getestet haben“, erinnert sich Akinci an die aufwändigen Versuchsreihen. Nach und nach sollen weitere Achskombinationen folgen. Einziger Nachteil: Der Reifenverschleiß ist minimal höher, was laut Akinci in der Praxis allerdings weniger ins Gewicht falle wie in den Versuchsreihen, wo die Sattel permanent gekreist sind.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Kässbohrer mit dem neuen Heckunterfahrschutz, der sich im Ernstfall auf Blöcke aus Aluschaum stützt. Dieses Material, das ursprünglich aus der Rüstungsindustrie stammt, um Anschläge auf Fahrzeugkabinen besser zu verarbeiten, punktet vor allem durch seine hohe Energieabsorptionsfähigkeit. Bei einem Aufprall bis 15 km/h soll mit dem neuen Unterfahrschutz kein Tausch mehr nötig sein, und bis 56 km/h soll laut Tugay Yilmaz, der bei Kässbohrer die Entwicklung koordiniert, nur die Crashbox getauscht werden müssen – abgesehen davon, dass die Insassen des aufprallenden Fahrzeuges besser vor einem Untertauschen des Fahrzeuges unter das Trailerheck geschützt werden sollen. Nachteil: das Element kostet natürlich etwas mehr Geld und minimal mehr Gewicht. Dafür gaben erste Versicherungen schon zu verstehen, dass man im Falle des neuen Kässbohrer-Unterfahrschutzes durchaus über kleine Boni bei den Prämien reden könne. Den Serienstart plant Kässbohrer für das vierte Quartal 2015.
Seit April läuft bereits die eigene KTL-Beschichtungsanlage, die das Fertigungshufeisen der neuen Serienlinie in Adapazari schließt. Damit hat Kässbohrer vorerst eine Kapazität von 40 Fahrzeugen pro Schicht. Doch der Hersteller plant bereits weiter: Mittelfristig möchte man mit Kühlern, Kippern, Luftfrachtern, Tankern, Silos, Tiefladern, Containerchassis und Curtainsidern – einem Komplettprogramm also – drittgrößter Anbieter in Europa werden. Dazu möchte man 2015 Marktführer im Segment Tank-Silo und 2016 im Bereich Tieflader sein. Nach der bisherigen Entwicklung könnte das klappen. Alle Neuheiten werden in Hannover auf der IAA stehen.