Drama - Laster verliert Eis: Münchner Familie fast erschlagen", berichtete die Münchener Abendzeitung vom 9.1. 2012. Die Familie war auf dem Weg zum Skifahren, als sich in einer Kurve von einem Sattelzug Eisplatten lösten und in die Windschutzscheibe ihres VW Passat krachten. Mit schlimmen Folgen: Splitterndes Glas und Eis verletzten die Gesichtsnerven des Familienvaters und zerschmetterten seine Nase, so die Abendzeitung. Frau und Sohn des Ingenieurs werden leicht verletzt, das Dach des Autos ist eingedrückt, es hat nur noch Schrottwert.
Jeden Winter wieder kommt es zu solchen und ähnlichen Situationen. Eisbrocken, Schneebretter oder ganze Eisplatten lösen sich von Fahrzeug- oder Anhängerdächern; besonders gefährlich wird dies bei Kurvenfahrten oder Abbiegevorgängen an Ampeln.
Wer einmal erlebt hat, wie sich bei einem vorausfahrenden Fahrzeug eine Schnee- oder Eisschicht löst, weiß, dass dies wie eine Explosion wirken kann. Im günstigsten Fall bildet sich durch herabrieselnden lockeren Schnee nur eine dichte Schneekristallwand, die dem Nachfolgenden die Sicht nimmt.
EISPLATTENGESCHOSSE BIS ZU HUNDERT KILO GEWICHT
Im ungünstigsten Fall aber mischen sich darunter Eisbrocken, die erhebliche Dicken erreichen können. Vor allem auf LKW-Dächern kann bei längerer Standzeit Regenwasser oder Eisregen gefrieren und sich in bis zu 100 Kilo schwere Eisplatten verwandeln. Oftmals sammelt sich auch Tauwasser, vor allem in den Mulden auf Planenaufbauten, und wird über Nacht zu Eis. In Verkehrskontrollen wurden Schichten von bis zu zehn Zentimetern Dicke auf Aufliegern gemessen, auf PKW-Dächern von bis zu fünf Zentimetern Dicke. Kommt frisch gefallener Schnee hinzu, erreichen diese Schichten Dicken bis zu 25 Zentimetern und mehr.
Nicht immer bleibt es bei derartigen Unfällen bei Leichtverletzten; auch Tote und Schwerverletzte sind zu beklagen. Und offenbar führen herabfallende Schnee- und Eisbrocken weit häufiger zu Unfällen als gemeinhin angenommen.
So ließ das Regierungspräsidium Stuttgart, um die Tragweite einschätzen zu können, 400 LKW-Unfälle aus dem Zeitraum Dezember 2009 bis März 2010 untersuchen. Laut Dr. Clemens Homoth-Kuhs, Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart, waren 17 Prozent der Unfälle ganz oder teilweise auf die Ursache Eisbrocken zurückzuführen. Bei diesen 67 Unfällen kam es zwar "nur" zu Sachschäden, in elf Fällen wurden die nachfolgenden Fahrzeuge aber so schwer beschädigt, dass sie fahruntüchtig wurden.
FAHRER VERANTWORTLICH FÜR DIE BESEITIGUNG
Die Rechtslage ist eindeutig: Die Straßenverkehrs-Ordnung fordert in § 23 StVO die Beseitigung dieser gefährlichen Zustände, ebenso auch das Zivil- und Versicherungsrecht. Die Fahrer allein sind dafür verantwortlich, ihren LKW vor Fahrtantritt von Schnee und Eis zu befreien. Im Rahmen der Abfahrtskontrolle müssen sie sich davon überzeugen, dass sich keine Fremdgegenstände auf dem Aufbau oder auf dem Dach des Fahrerhauses befinden.
Verliert ein Kraftfahrzeug während der Fahrt Eisstücke vom Dach oder der Ladefläche, begeht der Fahrer nach § 23 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung ("Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers") eine Verkehrsordnungswidrigkeit.
Wird die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt, etwa wenn rutschender Schnee die eigene Sicht oder die Anderer zu behindern droht, werden bereits 80 Euro fällig (z.B. OLG Bamberg, Beschluss vom 18.1.11, Az.: 3 Ss OWi 1696/10.) Laut der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte ist die Verkehrssicherheit dann "wesentlich beeinträchtigt", wenn Mängel die ernstliche Besorgnis begründen, dass sie bei der Weiterfahrt zu einer Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer führen könnten.
Das Herabfallen der Eisplatten und das Liegenlassen auf der Fahrbahn kann zusätzlich einen Verstoß nach § 32 StVO beinhalten. Denn es ist verboten, die Straße zu verschmutzen, Gegenstände auf die Fahrbahn zu bringen oder diese dort liegen zu lassen. Immer wieder werden selbst LKW-Tanks von auf der Strasse liegenden Eisbrocken aufgerissen.
Um Verstöße gegen das Strafgesetzbuch handelt es sich, wenn Personen verletzt oder sogar getötet werden. Entfernt sich ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall vom Unfallort, so kommt unter bestimmten Umständen auch die Unfallflucht in Betracht.
Die einzelnen Sanktionen sind in der Tabelle oben dargestellt; in Klammern sind die voraussichtlichen Punkte und geänderten Bußgeldsätze nach dem Entwurf des Bußgeldkatalogs 2014 angegeben.
Auch der Halter des Fahrzeugs kann belangt werden (§ 31 i. V. m. § 69 a StVZO), vorausgesetzt, dass er vom aktuellen Zustand des Fahrzeugs Kenntnis hat und der LKW sich in seinem Zugriffsbereich befindet. Ebenso können hier die Bestimmungen aus § 14 Ordnungswidrigkeitengesetz (Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit) in Betracht kommen.
KONTROLLE BEI ÜBERNAHME VON WECHSELBRÜCKEN
Eine zu wenig beachtete Problematik stellt sich auch bei der Übergabe von Wechselbrücken. Diese gelten in der Regel bei der Übergabe an den Fahrzeugführer insgesamt als "Ladung". Somit gelten die Verantwortlichkeiten des Verladers auch für die Wechselbrücke an sich. Eine Beteiligung an den in der Tabelle aufgeführten Tatbeständen ist deshalb grundsätzlich zu prüfen. Daneben sind hier auch die Vorschriften der Berufsgenossenschaften zu beachten, die auch eindeutig auf die Pflicht zur Beseitigung hinweisen (z.B. BGI 598 -Sicherer Umgang mit Wechselbehältern).
Eine Zeitlang geisterte auch das Gerücht umher, dass ein LKW-Fahrer das Eis nicht selbst mit einer Leiter entfernen dürfe, da er dann nicht versichert sei. Die Berufsgenossenschaften haben mittlerweile eindeutig klargestellt, dass bei Beachtung der Handhabungsregeln für Leitern der Fahrer sehr wohl versichert sei und das Entfernen der Eis- und Schneelasten auf den Dächern eine berufliche Aufgabe sei, die durch die Berufsgenossenschaften abgedeckt werde. Gegebenenfalls werde der Einsatz von Leitergurten zur Sicherung der Leiter angeraten, um ein Wegrutschen zu verhindern. Hier wird ausdrücklich auf die BGI 694 verwiesen.
ANGEBOT PRÄVENTIVER SYSTEME WIRD GRÖSSER
Schon seit Jahren arbeiten Firmen aus dem In- und Ausland an Systemen, mit denen man die Wasserund Eisplattenbildung verhindern oder Eis und Schnee leichter beseitigen kann. So bietet K&M zum Beispiel das patentierte Sicherheitssystem "Roof Safety Air Bag"(RSAB) an: Ein mittig unter der Plane liegender Schlauch wird mit Druckluft aus dem Bremssystem gefüllt und hebt die Plane um ca. 175 mm zu einem Satteldach an. So fließt Wasser ab und es kann sich kein Eis bilden. Das System kostet nach Herstellerangaben rund 1500 Euro; die Anschaffung wird u.U. vom Bund im Rahmen der De-Minimis-Beihilfen gefördert.
Airpipe aus Österreich entwickelte ebenfalls ein Schlauchsystem für Planenverdecke, bei dem sich Schnee und Eis nicht mehr ablagern bzw. pneumatisch unterstützt entfernt werden können.
Mauderer Alutechnik aus Lindenberg/Allgäu vertreibt ein Leitersystem aus Aluminium, das besonders an die Vorschriften der Berufsgenossenschaften angepasst ist. Es weist Sicherungsgurt, rutschfeste Sprossen- und Standfußprofile sowie Reflektoren auf. Das Mauderer-Plattformsystem ist hingegen für den stationären Einsatz auf Autohöfen, Raststätten oder auf Firmengeländen gedacht.
ABRÄUM-GERÜSTE AN IMMER MEHR AUTOHÖFEN
Mittlerweile finden sich rund 50 Schneegerüste entlang der deutschen Autobahnen, meist an großen Autohöfen. Eine Liste aller bekannten Räumstationen sowie Informationen zum Thema Eis und Schnee stellt der Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik online unter www.bgl-ev.de zur Verfügung.
Auch in Österreich wächst das Angebot an Abkehrbühnen. Laut der Autobahnbetreibergesellschaft Asfinag stehen bislang an folgenden Standorten Gerüste: A14 Richtung Tirol (Grenzübergang Hörbranz), A12 Richtung Bregenz (Parkplatz Kronburg), A12 beidseitig (Stellplatz Vomp), A 10 Richtung Villach (Parkplatz Rohr) und Richtung Salzburg (Parkplatz Ried) sowie A9 Richtung Voralpen (Parkplatz Kleintal) und in Richtung Graz (Parkplatz Ortnerhof).
In der Schweiz sind Fahrer weitgehend auf sich gestellt, sollten sie abseits vom eigenen Betriebshof nächtigen. Das Bundesamt für Straßen Astra stellt an den Autobahnen keine Gerüste zur Verfügung, maßgeblich aus Haftungsgründen, heißt es. Es gibt aber Vorrichtungen an den bekannten Schwerverkehrskontrollstellen der Polizei.