Tausende Male kracht es täglich auf Deutschlands Straßen. Allein im Januar 2014 wurden 180.551 Unfälle polizeilich erfasst. Das Statistische Bundesamt registrierte für das zurückliegende Jahr 2013 insgesamt 2,4 Millionen Zusammenstöße. Das bedeutet: Alle 13 Sekunden kommt es zu einem Crash. Wenn LKW beteiligt sind, hat das häufig Personen- oder hohe Sachschäden zur Folge. Die Karambolagen sind wegen ihrer Schwere meist sowohl für den Fahrer als auch für den Unternehmer ein Schock. Der Ärger beginnt allerdings erst danach. Nämlich dann, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung den Rotstift ansetzt.
VERSICHERER VERWEHREN ANWALTSKOSTEN
Halter von Fahrzeugflotten sehen sich dabei einem besonderen Streitpunkt ausgesetzt. "Die gegnerische Haftpflichtversicherung verwehrt ihnen häufig die Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten", weiß der Moerser Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht Bertil Jakobson. Das Argument: Transportunternehmen seien rechtlich versiert und brauchten keinen Anwalt. Als Beleg wird gerne eine bereits 20 Jahre alte Entscheidung des Bundesgerichtshofs bemüht. Dort heißt es sinngemäß, dass es in einfach gelagerten Fällen nicht erforderlich sei, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. "Gerade Inhaber kleinerer Fahrzeugflotten lassen sich oft von einem entsprechenden Versicherungsschreiben einschüchtern", weiß Jakobson.
Zu Unrecht. Denn diesem Urteil lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Fahrzeugführer auf der Autobahn eine Leitplanke beschädigte. "Das heißt, die Entscheidung lässt sich gar nicht auf typische Verkehrsunfälle mit zwei Beteiligten übertragen", so der Anwalt. Auch die aktuelle Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte erteilt der Argumentation der Versicherer eine deutliche Absage. So entschied das Landgericht Itzehoe, dass die Rechtsprechung für den meist rechtsunkundigen Halter einer Fahrzeugflotte gar nicht mehr zu überschauen sei, weil sie sich ständig im Fluss befinde. Das Landgericht Mannheim stellte bereits 2007 klar, dass die Assekuranzen an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig sind.
SEHR VIELE UNFÄLLE WERDEN NICHT KORREKT REGULIERT
Das Regulierungsverhalten einiger Versicherer habe selbst maßgeblich dazu beigetragen, dass eine kaum mehr überschaubare Rechtsprechung entstanden sei. Damit könnten Verkehrsunfälle nicht mehr als einfach gelagerte Fälle klassifiziert werden.
"Darüber hinaus haben Gerichte auch in zahlreichen Einzelfällen die Erstattung der Anwaltskosten bejaht", so Jakobson. Selbst große Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung dürften sich laut dem Amtsgericht Duisburg für die Unfallabwicklung einen Anwalt nehmen. Das wundert nicht, denn die Schadensabwicklung ist kompliziert. "Bei LKW liegen die Schäden schon bei einfachen Unfällen leicht im Bereich von 2000 bis 3000 Euro", weiß der Anwalt. "Jeder Cent, der hier gekürzt wird, zählt." Doch die Geschädigten sehen häufig nicht, dass die Assekuranzen ihre Sparpolitik geschickt tarnen. "Vor allem bei unverschuldeten Unfällen meldet sich häufig noch am Unfalltag die gegnerische Haftpflichtversicherung telefonisch beim Geschädigten und bietet ihm durch freundliche und geschulte Mitarbeiter die komplette Unfallabwicklung an", erklärt Oliver Fouquet, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Nürnberg.
Der Anwalt, der auch Leiter des Fachausschusses "Werkstatt/Reparatur/Mängel" beim Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte ist, weiß um die oft gravierenden Folgen für den Geschädigten: "So bleibt meistens eine Wertminderung nach erfolgter Reparatur völlig außen vor." Außerdem sparten sich die Versicherungen die Einschaltung eines Sachverständigen. Gerade der wäre aber wichtig, um die Wertminderung zu ermitteln. Sascha Wegener, unabhängiger KFZ-Sachverständiger aus Berlin, kann das bestätigen. Er schätzt, dass 90 Prozent der Unfälle, die allein über die gegnerische Haftpflicht laufen, nicht korrekt reguliert werden.
VERSICHERER WEISEN DIE SCHULD VON SICH
Die Versicherungswirtschaft selbst sieht das Ganze gelassen. Stephan Schweda vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin sagt: "Geschädigten werden durch das Schadenmanagement der Versicherer keine Leistungen vorenthalten. Eine schnelle und unkomplizierte Schadenregulierung ist gerade im Interesse der Kunden. Daneben hat der Geschädigte immer die Wahlfreiheit, was Gutachter, Sachverständige oder die Wahl der Reparaturwerkstatt betrifft." Doch genau das ist vielen Betroffenen nicht bekannt. Die Geschädigten, darunter auch mittelständische Flottenbetreiber, seien sich vielfach gar nicht im Klaren darüber, dass sie mit der Schadensregulierung durch die Versicherung auf zahlreiche Forderungen verzichten, so Anwalt Jakobson.
Dabei ist der Unfallverursacher laut Paragraf 249, Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Unfall gar nicht passiert wäre. "Zu den Schadenspositionen bei gewerblich genutzten KFZ zählt neben den Abschlepp- und Reparaturkosten vor allem der entgangene Gewinn", erklärt Anwalt Fouquet. Ersetzt werden müssen darüber hinaus auch Rückstufungsschäden bei der eigenen Vollkaskoversicherung, sofern diese zunächst in Anspruch genommen wird.
EXPERTEN RATEN, SELBST AKTIV ZU WERDEN
Ist am LKW ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden, muss alternativ zur Reparatur der Wiederbeschaffungsaufwand auf die Rechnung. "Ganz wichtig: Geschädigte dürfen sowohl einen eigenen Rechtsanwalt mit der Unfallregulierung beauftragen als auch einen eigenen Sachverständigen für die Ermittlung der Schadenshöhe", betont der Experte. Auch die Werkstatt kann der Geschädigte frei wählen.
"Die gegnerische KFZ-Haftpflichtversicherung muss diese Kosten übernehmen." Einzige Ausnahme: Bagatellschäden, die unter 700 bis 750 Euro bleiben. Wer die Unfallregulierung dagegen allein der Versicherung überlässt, verzichtet nach Fouquets Einschätzung leicht auf einige Hundert Euro pro Versicherungsfall. Die Versicherung spart noch mehr. Im Schnitt 500 bis 1000 Euro, sagt der Anwalt. Fouquet: "Man kann es durchaus als paradox bezeichnen, gerade demjenigen die komplette Abwicklung des Schadens zu überlassen, der dafür aufkommen muss."
Die Schadensabwicklung kann allerdings dauern. Nach Paragraf 3a des Pflichtversicherungsgesetzes muss die Assekuranz innerhalb von drei Monaten einen Regulierungsvorschlag unterbreiten, sofern die Haftung unstreitig ist. Komplizierte Sachverhalte können längere Zeit in Anspruch nehmen.
Wer zu schnell vor Gericht zieht, hat das Nachsehen. So entschied das Landgericht Köln, dass eine Klage nach einem Monat zu früh ist.