Eine erhöhte Geschwindigkeit muss bei einem Unfall nicht automatisch zur Mithaftung führen. Bei Unfällen hafte der Geschädigte nicht allein schon deshalb mit, weil er lediglich fünf km/h zu schnell war, erklärt der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und verweist auf eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 11. November 2021 (AZ: 14 S 166/20).
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte der Klägerin die Vorfahrt genommen und es kam zum Unfall. Dafür erhielt sie bereits 75 Prozent ihres Schadens ersetzt. Die Versicherung des Beklagten sah ein Mitverschulden der Klägerin von 25 Prozent und begründete dies mit der Geschwindigkeitsüberschreitung der Klägerin. Nachdem das Amtsgericht die Klage auf die letzten 25 Prozent Schadensersatz noch abgewiesen hatte, war die Klägerin vor dem Landgericht erfolgreich.
Das Landgericht Lübeck entschied, dass die Klägerin Anspruch auf 100 Prozent Schadensersatz hat. Zwar sei die Klägerin statt der erlaubten 30 km/h mit circa 35 km/h gefahren, diese Überschreitung der Geschwindigkeit führe jedoch nicht zu einer Mithaftung der Klägerin, da sie den Unfall auch nicht mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit hätte vermeiden können. Die so genannte Reaktionszeit sei laut Gutachten bereits „aufgebraucht“ gewesen. Aufgrund des schweren Verkehrsverstoß des Beklagten trete die „allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin vollständig zurück“, so das Gericht.